Full text: Allgemeine Staatslehre

Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewalt.e. 489 
seither in der diplomatischen Sprache gebrauchte Bezeichnung 
der halbsouveränen Staaten sich eingebürgert hat. 
Ist demnach Souveränetät kein wesentliches Merkmal sowohl 
der mittelalterlichen als der Staaten aus der Blütezeit des natur- 
rechtlichen Dogmas von der Identität der Staats- mit der souve- 
ränen Gewalt gewesen, so kann auch für die Gegenwart diese 
Gleichstellung nicht aus der Betrachtung der realen Staaten- 
welt dargetan werden. Auch die heutige Staatenwelt weist Ge- 
bilde auf, die staatliche Aufgaben ‚mit selbständiger Organisation 
und staatlichen Mitteln erfüllen, aber nicht souverän sind. An 
diese historisch-politische Tatsache haben auch alle wissenschaft- 
lichen Vorstellungen vom Staate anzuknüpfen, die ja das Ge- 
gebene erklären, aber nicht meistern sollen. 
Es gibt demnach zwei Gattungen von Staaten: souveräne 
und nichtsouveräne. Da erhebt sıch aber die Frage, welches 
Merkmal den nıchtsouveränen vom souveränen Staat einerseits, 
vom nichtstaatlichen, dem Staate ganz untergeordneten Verband 
anderseits scheidet. Sie wird beantwortet durch Untersuchung 
der folgenden Eigenschaft der Staatsgewalt, der Fähigkeit zur 
Selbstorganisation und Autonomie. 
U. Fähigkeit der Selbstorganisation und Selbstherrschaft!). 
Wesentliches Merkmal des Staates ist Dasein einer Staats- 
gewalt. Staatsgewalt ist aber nicht weiter ableitbare Herrscher- 
gewalt, Herrschergewalt aus eigener Macht und daher zu eigenem 
  
ränetät zwischen halb- und nichtsouveränen Staaten leugnet, einen 
quantitativen Unterschied mit Rücksicht auf den Grund der Unterwerfung 
aufstellen, wozu aber doch, wie Rehm jetzt selbst zuzugeben scheint 
(Kleine Staatslehre S.59£.), kein Bedürfnis vorliegt. 
1) Über abweichende Meinungen vgl. die treffende Polemik von 
G.Meyer, StR. S.9 N.20, mit dessen Grundanschauung ich in diesem 
Punkte im wesentlichen übereinstimme. Vgl. zum folgenden G. Jellinek 
Über Staatsfragmente (Sonderabdruck aus der Fesigabe der juristischen 
Fakultät der Universität Heidelberg zur Feier des 70. Geburtstages Seiner 
Königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich von Baden) 1896 S.12if. 
Aus der neuesten Literatur Rosenberg im Archiv f.öff. Recht XIV 
1899 S. 362ff. und nunmehr Hirths Annalen 1905 S. 343 (auch Z. f. ges. 
Staatsw. 1910 S.341ff.),, mit meinen näheren Ausführungen, Staats- 
fragmente S.12, ausdrücklich übereinstimmend. Ferner Rehm, der, 
Staatslehre S.28ff., behauptet, wie vor ihm schon Stöber, Arch. 
£.öff. R.1 S. 638££., daß völkerrechtliche Persönlichkeit das einzige Merk- 
mal sei, das den Staat von der Gemeinde scheide. Aber völkerrechtliche
	        
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