494 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Verfassungen begabten britischen Kolonien als Monarchien oder
die organisierten nordamerikanischen Territorien als Republiken
bezeichnet werden.
Die nichtsouveränen Staaten der Gegenwart besitzen über-
dies einen selbständigen Wirkungskreis auf allen großen Gebieten
staatlicher Verwaltung. Sie können — in verschiedenem Um-
fange — mit anderen Staaten verkehren!), besitzen eigene Justiz-,
Finanz- und innere Verwaltung und haben entweder ihre eigenen
Truppen oder doch einzelne Rechte hinsichtlich der von ihnen
gestellten Kontingente des Bundesheeres. Notwendig ist dies
aber keineswegs, da aus dem Dasein oder Fehlen bestimmter
„Hobeitsrechte‘“‘ niemals auf Sein oder Nichtsein des Staates
geschlossen werden darf.
Auf Grund dieser Darlegungen ergibt sich als weiteres Kri-
terium für den nichtsouveränen Staat, das ıhn vom nichtstaat-
lichen Gemeinwesen scheidet, daß er beim Wegfall des ihn be-
herrschenden Staates ohne weiteres den Charakter als eines
Souveräne von Elsaß-Lothringen erklärt. Ebensowenig ist die Ansicht
von Leoni, Das Verfassungsrecht von Elsaß-Lothringen I 1892 S.5ff.,
und die, nunmehr in der Ztschr. £. ges. Staatswissenschaften 1910 S. 345 ff.
aufgegebene, Ansicht von Rosenberg, Die staatsrechtliche Stellung von
Elsaß-Lothringen 1896 S.8ff.,, haltbar. Die Behauptung Leonis, der
Kaiser sei der widerrufliche Monarch Elsaß-Lothringens (a.a.O. S. +48),
verkennt überdies das Wesen der Monarchie. Auch Rehm suchte in
seiner Staatslehre S. 165ff. eingehend die Staatsnatur von Elsaß-Loth-
rıngen zu erweisen; doch vertritt er heute diese Ansicht nicht mehr:
Das Reichsland Elsaß-Lothringen 1912 S. 3£f., 12. Vgl. auch 5.653 N. 2.
1) Auch die Gliedstaaten der amerikanischen Bundesstaaten können
untereinander Verträge schließen: Vereinigte Staaten, Const. Art. I
sect. 10,3; ebenso Argentinien, Art. 107; Brasilien, Art. 65,1. Mexiko
gestattet nur Verträge über Grenzregulierungen (Art. 110) und den
Grenzstaaten Koalitionen zum Kampfe gegen wilde Stämme. Die meisten
dieser Staaten verlangen für derartige Verträge Genehmigung durch
Bundesorgane oder (Argentinien) Anzeige an den Kongreß. Die staatliche
Natur der Gliedstaaten aber kommt hier insofern zum Ausdruck, als
diese Verträge grundsätzlich nach Völkerrecht zu beurteilen sind. Über
die einschlägigen Verfassungsbestimmungen vgl. auch Le Fur p. 688 Note.
Seine Behauptung, daß die Verträge nach Staats-, nicht nach Völkerrecht
beurteilt werden müssen, ist erweislich falsch. Die Praxis dürfte aller-
dings kaum zu konsultieren sein; wenigstens ist in den Vereinigten
Staaten die erwähnte, Verträge der Gliedstaaten untereinander an-
erkennende Klausel bisher nicht benutzt worden. Vgl. Lehre von den
Staatenverbindungen S. 49.