Full text: Allgemeine Staatslehre

496 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
dem Recht des übergeordneten Gemeinwesens. Von zwei dauernd 
verbundenen Staaten ist daher derjenige, welcher seine staats- 
rechtliche Zuständigkeit durch sein Gesetz nicht auszudehnen 
vermag, sondern an der staatlichen Rechtsordnung des anderen 
eine Grenze für seine Kompetenzerweiterung findet, nıchtsouverän, 
während der Staat, der durch sein Gesetz dem anderen staats- 
rechtliche Kompetenzen zu entziehen vermag, der souveräne ist. 
Wenn die Kompetenz eines Oberstaates zu einem Unterstaate aber 
dauernd festgelegt ist, wie vor 1908 die der Türkei im Verhältnis 
zu Bulgarien, dann kann solche Kompetenzbeschränkung nur 
durch völkerrechtliche Verpflichtung gegen dritte Mächte garan- 
tiert sein. Daß weder die Türkei gegenüber Bulgarien noch dieses 
gegenüber der Pforte seine Zuständigkeit ausdehnen konnte, be- 
ruhte auf dem durch einseitige Parteidisposition nicht abzu- 
ändernden Berliner Vertrag. \Wo derartige völkerrechtliche Ga- 
rantıen solcher staatsrechtlicher Verhältnisse mangeln, da kann 
der Oberstaat auch durch sein Gesetz die Sphäre des Unterstaates 
beschränken, wie das denn auch in den Beziehungen der Pforte 
zu Ägypten vorgekommen ist!). 
Ill. Die Unteilbarkeit der Staatsgewalt. 
Geht man von dem Fundament der rechtlichen Erfassung 
des Staates aus: von seiner Erkenntnis als einer Einheit, so 
ergibt sich daraus als notwendige Konsequenz die Lehre von 
der Einheit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt. Geteilte Gewalt 
setzt eine Spaltung des Staates in eine Mehrheit staatlicher Ge- 
bilde voraus. 
Was von der Staatsgewalt schlechthin gilt, hat natürlich 
auch für die souveräne Staatsgewalt Geltung. Souveränetät ist 
eine Eigenschaft, und zwar eine solche, die weder einer Mehrung 
noch einer Minderung fähig ist. Sie ist logisch ein Superlativ, der 
sich niemals spalten läßt, sondern nur gleichartige Größen der- 
selben Gattung neben sich duldet. Daher können mehrere souve- 
räne Staaten nebeneinander bestehen, aber niemals als Träger 
einer und derselben Staatsgewalt. Daher gibt es keine geteilte, 
fragmentarische, geminderte, beschränkte, relative Souveränetät 2). 
  
!) Vgl. L. v. d. Staatenverbindungen S. 151. 
*) Aus der neuesten Literatur vgl. darüber Le Fur p. 477 ff.; Rehm 
Staatslehre S.63ff. Eine relative Souveränetät konstruiert v. Stengel, 
Schmollers Jahrbuch 1898 S. 785, doch nur. indem er der Gleichsetzung
	        
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