Full text: Allgemeine Staatslehre

508 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
zeichnung. Gesetze werden im Mittelalter nur selten erlassen; 
Verträge aber bedürfen in perpetuam rei memoriam der schrift- 
lichen Beurkundung. 
Diese beiden Vorstellungen wirken bei der Errichtung der 
modernen Verfassungen nach: Verbriefung von Rechten der Unter- 
tanen durch den über ihnen stehenden Herrscher und Vertrag 
zwischen dem Fürsten und dem Lande. Einseitiges und zwei- 
seitiges Rechtsgeschäft sind in ihnen gemäß den populären An- 
schauungen eigentümlich gemischt. 
2. Zunächst ist die Entstehung des modernen Verfassungs- 
begriffes, der geschriebenen Verfassung oder der Verfassung 
im formellen Sinne zu verfolgen. 
Unter dem Einflusse der aristolelischen Lehre!) findet sich 
bereits in der mittelalterlichen Literatur die Vorstellung des 
dominium politicum, der verfassungsmäßig eingeschränkten Herr- 
schaft, im Gegensatz zum dominium regale?). Erst im 16. Jahr- 
hundert aber taucht der Begriff des Grundgeseizes, der lex funda- 
mentalis, auf?). Die lex fundamenialis hat eine höhere Kraft 
als andere Gesetze. Nämlich der König selbst ist an sie ge- 
bunden und kann sie nicht einseitig ändern. In Frankreich er- 
klärt zur Zeit Heinrichs IV. Lovseau, daß die ‚„lois fondamen- 
tales de l’Estat“ eine feste Schranke der königlichen Macht 
bilden®). In England spricht Jakob I. zuerst von fundamental- 
  
1) Der Gegensatz von zo4uıxov und Baoııxöv findet sich gleich in 
den ersten Zeilen der Politik: p. 1252, 8. 
®) Vgl. Fortescue De laudibus legum Angliae, ed. Amos, Cam- 
bridge 1825 c.XXXVII p.246, und derselbe Über die Regierung 
Englands, übersetzt und herausgegeben von Parow 1897 (In Bren- 
tano-Leser Sammlung älterer und neuerer staatswissenschaftlicher 
Schriften Nr. 10) S.17ff,, wo eingehend der Unterschied des dominium 
regale vom dominium politicum et regale auseinandergesetzt wird. 
%) Zuerst bei den Monarchomachen nachweisbar. Siehe Treu- 
mann Die Monarchomachen (in Jellinek-Meyer Abhandlungen | 1) 
Ss. 77 N.5. Das Wort fundamentalis ist auch bei Ducange-Henschel 
nicht zu finden. Über die Geschichte des Gedankens eines Fundamental- 
gesetzes ın England vgl. nunmehr auch W. Rothschild Der Gedanke 
der geschriebenen Verfassung in der englischen Revolution 1903 S.6f. 
4) Trait& des Seigneuries p.26. — Der Ausdruck „lois fondamen- 
tales‘“ ist möglicherweise zuerst 1570 gebraucht worden, jedenfalls findet 
er sich aber in der declaration des Herzogs von Alencon vom 15.9.1575: 
Lemaire Les lois fondamentaless de la monarchie francaise 1907
	        
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