Full text: Allgemeine Staatslehre

Erstes Kapitel. Die Aufgabe der Staatslehre. 25 
verfassungen sind uns bekannt; jede detaillierte Ausgestaltung 
und historische Entwicklung der einzelnen Institutionen aber, auf 
die es ja hier vor allem ankommt, ist uns meist gänzlich ver- 
schlossen, und was als Detail geboten wird, ist nichts als sub- 
jektive Konstruktion der Geschichtsforscher. Was wir von dem 
alten Orient wissen, kann daher in den meisten Fällen nur als 
Ilustration, nicht aber als sicheres Fundament einer streng 
wissenschaftlich und dahen auf möglichst sicherer Basis auf- 
bauenden Staatslehre dienen. Daß die autochthonen amerika- 
nischen, afrikanischen und polynesischen Staatenbildungen mit 
den abendländischen keinen nachweisbaren Zusammenhang haben, 
bedarf keiner näheren Ausführung. Der Hinblick auf sie kann 
daher nur zum Zweck des Beispiels oder der Korrektur un- 
zulässiger Verallgemeinerungen dienen. 
In solcher zeitlichen und räumlichen Beschränkung der Auf- 
gabe liegt aber keineswegs eine Unvollkommenheit oder wenig- 
stens keine größere als in allen auf historischem Boden er- 
wachsenen Disziplinen. Denn die Geschichte ist und bleibt steis 
ein Fragment. Die ganze geschichtliche Vergangenheit als Grund- 
lage wissenschaftlicher Erkenntnis fordern, heißt Unmögliches 
verlangen oder einer Spekulation die Wege ebnen, die ihrem 
bleibenden Werte nach sich in nichts von den phantastischen 
Geschichtskonstruktionen der früheren Zeit unterscheidet, die wir 
heute höchstens noch als Kuriositäten betrachten. Aber auch die 
Nicht- oder doch geringere Berücksichtigung der nichtabend- 
ländischen Staaten der Vergangenheit und Gegenwart bedeutet 
keine Minderung des wissenschaftlichen Wertes dieses Werkes. 
Einmal deshalb, weil wir über diese Staaten keine genügende, 
auf die genaue Kunde ihrer Geschichte gestützte Kenntnis haben. 
Sodann aber, weil aus der vergleichenden Betrachtung von ge- 
schichtlich und sozial unzusammenhängenden Bildungen sich keines- 
wegs tiefere Einsicht. in das Wesen der staatlichen Erscheinungen 
überhaupt ergibt, sondern, wie im nächsten Kapitel näher aus- 
geführt ist, nur allgemeine, aber inhaltsleere Sätze von geringem 
Erkenntniswert gewonnen werden können. 
Die dritte Grenze dieser Darstellung liegt darin, daß von 
ihr die Politik ausgeschlossen bleibt. Nicht in dem Sinne, daß 
politische Erörterungen vermieden wären, was ja den voran- 
gehenden Bemerkungen über das Verhältnis der Politik zur 
Staatslehre stracks widerspräche. Wohl aber ıst auf die Politik
	        
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