520 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechislehre.
vom Volke gewählten ‚Konvention‘ ausgearbeitet und hierauf
durch Volksabstimmung sanktioniert!). Es entscheidet daher heute
das Volk durch Gesamtabstimmung in letzter Instanz über An-
nahme oder Verwerfung der Revision?). Der formelle Charakter
der Verfassungsgesetze als nur unter erschwerenden Formen ab-
zuändernder ‚Normen mit gesteigerter Gesetzeskraft ist in den
amerikanischen Gliedstaatsverfassungen in der schärfsten Weise
ausgeprägt. Nach amerikanischem Vorbild sind in jüngster Zeit
die Normen über Verfassungsänderungen in Australien gestaltet
worden).
Dieselben Prinzipien wie in den erörterten Konstitutionen
finden sich auch in der Verfassung der Vereinigten Staaten von
1787. Die Verfassung ist ein Ausfluß der Machtvollkommen-
heit des Volkes, ist das’ höchste Gesetz des Landes, bildet die
vom Richter zu überwachende Schranke für alle Akte der Union
sowohl als ihrer Gliedstaaten. Da die Bills of Rights der Glied-
staaten bereits die individuellen Rechte feierlich festgestellt hatten,
schien anfangs eine besondere Erklärung der Rechte um so weniger
notwendig, als die Anschauungen des amerikanischen Volkes
über die Rechte des Individuums schon in einigen Sätzen der
Unabhängigkeitserklärung zum Ausdruck gekommen waren. Jedoch
wurden bereits 1789 zehn Zusatzartikel zur Unionsverfassung be-
schlossen, welche die Stelle einer gesamtamerikanischen Bill of
Rights vertreten. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist wie in den
Gliedstaaten durchgeführt. Die Verfassung kann ferner nur auf
Grund eines höchst komplizierten Verfahrens Zusätze und Ab-
änderungen erhalten, und Minoritäten können in sehr ausgiebiger
Weise jede Änderung hemmen, indem zwei Drittel beider Häuser
des Kongresses und drei Viertel der Staatenlegislaturen zur An-
nahme eines solchen Beschlusses notwendig sind. Eine direkte
1) Vgl. Bryce American Commonwealth I p.681ff.;, Jameson
A Treatise on Constitutional Conventions. 4. ed., Chicago 1887, 8479.
2) Mit Ausnahme des Staates Delaware, wo bei Amendement das
Volk nur in der verfassungsmäßig notwendigen Neuwahl der gesetz-
gebenden Körperschaften zur Sprache kommt, und Süd-Carolina, wo die
Volksabstimmung zwischen zweimaligen Beschlüssen der Legislatur statt-
findet. Oberholtzer new ed. 1911 p.150f.
3) Const. of the Commonwealth of Australia, Art. 128. Doch halt
auch schweizerisches Recht auf diese Bestimmungen eingewirkt, indem
sowohl die Volksabstimmung in der Majorität der Staaten als im
Commonwealth die Änderung sanktionieren muß.