Full text: Allgemeine Staatslehre

Sechzehntes Kapitel. Die Staatsorgane. 043 
Warnungssignale ausstoßen, findet sich bei einer großen Zahl 
solcher Herdentiere. 
Die mannigfaltigen Formen der primitiven Organisationen in 
der Familie und im Stamme haben zwar alle ihre Grelegenheits- 
ursachen gehabt, die heute nicht mehr festzuhalten sind: können 
wir doch z. B. nicht einmal den Anteil konstatieren, den Aber- 
glauben verschiedenster Art an der frühesten Gestaltung sozialer 
Verhältnisse gehabt hat. Sobald aber eine Organisationsform sich 
einmal dauernd festgesetzt hat, erlangt sie im Bewußtsein der 
Verbandsmitglieder auch den Charakter einer normalen, zu Recht 
bestehenden Organisation. Der ursprünglich rein tatsächliche 
Charakter der Organisation zeigt sich auch heute noch bei 
Staatsumwälzungen oder ın Fällen, für welche verfassungsmäßig 
nichts bestimmt ist (z. B. Berufung einer Regentschaft, ohne 
daß sie gesetzlich vorgesehen ist, oder beim Mangel der gesetzlich 
berufenen Personen, Aussterben einer Dynastie, bevor eine neue 
berufen wurde, Wegfall aller zur Präsidentschaft berechtigten 
Personen, ohne daß verfassungsmäßig eine Neuwahl während der 
Präsidentschaftsperiode zulässig ist). In beiden Fällen findet ent- 
weder im Gegensatz zum Recht oder ohne eine Rechtsnorm eine 
neue Organisation oder Berufung eines neuen Organs durch eine 
verfassungsmäßig nicht legitimierte Macht statt, an welche später 
die Rechtsordnung von neuem anknüpfen kann. 
Bei entwickelter Kultur wird allerdings, die erwähnten Aus- 
nahmefälle abgerechnet, regelmäßig der tatsächliche Vorgang der 
Organisation unlöslich mit Rechtsnormen verknüpft sein, derart, 
daß die Berufung des einzelnen zur Organstellung nur auf Grund 
einer rechtlichen Berufungsordnung erfolgen kann. Ferner werden 
auch die Zuständigkeit der Organe und der Weg, auf dem ihr 
Wille sich äußert, die Bedingungen, unter denen er Rechtsgültig- 
keit beanspruchen kann, durch Rechtssätze festgestellt werden 
müssen. Unter allen Umständen ist eine Rechtsordnung dort 
notwendig, wo mehrere Organe zusammenwirken, und bei kolle- 
gialisch gestalteten Organen, wo der Organwille erst durch einen 
juristischen Prozeß aus den Aktionen einer Vielheit individueller 
Willen gewonnen werden muß. 
Daß trotzdem faktische und rechtliche Organisation auch 
unter der Herrschaft staatlich entwickelter Zustände möglicher- 
weise auseinanderfallen können, beweisen verbotene Vereine und 
Verbände zu deliktischen Zwecken, die auch eine oft sehr ver-
	        
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