Full text: Allgemeine Staatslehre

Sechzehntes Kapitel. Die Staatsorgane. 551 
des Staates ist heute allerdings die wichtigste und prinzipiellste 
Forderung an die staatliche Organisation, die aber nicht nach 
Art eines naturrechtlichen Dogmas als begriffsnotwendig an alle 
möglichen staatlichen Institutionen herangebracht werden darf. 
In dem auf dem Dogma der Gewaltenteilung aufgebauten Staate 
lassen sich Fälle nachweisen, die zweifellos mit der Einheit des 
Staatslebens nicht in Einklang zu bringen sind!). 
Es ist daher nicht notwendig, daß die gesamte Macht des 
Staates in der Zuständigkeit eines ÖOrganes zum Ausdruck 
kommen müsse. Unter dem Einflusse der naturrechtlichen Lehren 
ist der Satz, daß die gesamte Staatsgewalt, sei es beim Volke, 
sei es beim Monarchen, ruhe, in die Verfassungen eingedrungen. 
Diese Sätze sind aber nicht normativer, sondern theoretischer 
Natur. Aufgabe wissenschaftlicher Kritik ist es daher, sie auf 
ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, ähnlich wie die Wissenschaft 
andere Legaldefinitionen mit voller Freiheit untersucht und als 
teilweise oder ganz unzutreffend nachgewiesen hat. Hier ist es 
wieder die Lehre von der doppelten Souveränetät, die alle 
Unklarheiten verschuldet hat. Die Vorstellung, daß es im Staate 
Menschen geben müsse, denen die Souveränetät des Staates als 
eigenes Recht zusteht, ist trotz der Erkenntnis der hierin liegenden 
Widersprüche nur von wenigen mit voller Konsequenz verbannt 
BEIN 
durch Polybius und Cicero im Altertum populär wurde und dadurch 
auch auf die folgenden Zeiten einen großen Einfluß ausübte. Die ge- 
mischte Staatsform ist aber eine politische, keine juristische Vorstellung, 
bestimmt, einen konkreten Staat als Normalstaat nachzuweisen. So haben 
Polybius in Rom, so neuere Apologeten, sei es ın England, sei es in 
der konstitutionellen Monarchie überhaupt, kraft der richtigen Mischung 
der drei politischen Elemente (des monarchischen, aristokratischen, 
demokratischen) den besten Staat zu erkennen gesucht. Diese Lehre 
verrät überhaupt den Stempel abstrakter politischer Spekulation, was 
ihr bereits Tacitus (Ann. IV 33) in seiner knappen Art vorgehalten 
hat. Jede Theorie von einer Mischung der Typen deutet immer darauf 
hin, daß diese selbst nicht scharf gedacht und daher flüssig sind. In 
der juristischen Literatur neuerer Zeit hat man unter gemischter oder 
zusammengesetzter Staatsform den Staat mit mehreren unmittelbaren 
Organen zum Unterschiede von dem nur ein solches Organ besitzenden 
verstanden. So noch H.A.Zachariae D.St.u.B.R.I S. 86£f. 
1) Vgl. für die Vereinigten Staaten Bryce I 294: „There is in 
the American government, considered as a whole, a want of unity. Its 
branches are unconnected; their efforts are not directed to one aim, 
do not produce one harmonious result.“
	        
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