Sechzehntes Kapitel. Die Staatsorgane. 565
vidualrecht und Organzuständigkeit auf das schärfste scheidet.
Vielmehr weist dieser Rechtssatz, wie jede wahre Hegel des
öffentlichen Rechtes, den Weg zur Erhaltung wichtiger staatlicher
Güter.
Viel weniger Streit und Mißverständnis über diesen Punkt
wäre möglich, wenn man, dem wahren Sachverhalt entsprechend,
die Organzuständigkeiten stets als Pflichten normieren könnte.
Wenn irgendwo der oft gehörte Satz: „Öffentliches Recht ist,
öffentliche Pflicht‘, zutreffend ist, so ist er es in dieser Materie.
Für die höchsten und wichtigsten Pflichten aber läßt sich die
Imperativform gar nicht denken, weil kein Gesetz die Umstände
bestimmen kann, unter denen sie erfüllt werden müssen. Die
Zuständigkeit zur Gesetzessanktion oder zur Entscheidung über
Krieg und Frieden in Imperative zu kleiden, ist unmöglich. Und
so ist in jeder höheren ÖOrgantätigkeit ein freies Element vor-
handen, das nur in der Form der Befugnis, nicht der Pflicht
ausgesprochen werden kann. Dennoch sind alle diese Rechte in
Wahrheit nur berechtigende Pflichten. Je höher die Organ-
stellung, je größer der Kreis solcher Rechte ist, desto stärker
tritt auch das Verantwortlichkeitsgefühl auf, das den am tiefsten.
und gewaltigsten ergreift, der unabhängig von allen verdunkelnden
Theorien erkannt hat, daß die gewaltige Macht, welche die
Staatsordnung in seine Hände gelegt hat, ihm nicht als Privat-
person, sondern als führendem Gliede des Ganzen eignet.