Full text: Allgemeine Staatslehre

596 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
den sonst irgendwie formell deutlich geschiedenen Befugnissen des 
obersten Staatsorganes aus, wie sie ihm der Staat seiner Epoche 
darbot, und suchte diese verschiedenen Organe oder äußeren 
Formen staatlicher Willensäußerungen auf ihnen zugrunde liegende 
verschiedene Funktionen zu reduzieren, geleitet von der oft gar 
nicht zum Bewußtsein kommenden Überzeugung, daß der 
Scheidung der Organe und Formen ein sachlich begründeter 
Unterschied als Basis dienen müsse. Auch hier also wird im 
Historischen das Rationale gesucht, aus dem geschichtlich gegebenen 
Einzelfall die allgemeine Theorie konstrutert. 
Dies hat sich zuerst in klarster Weise in der antiken Staats- 
lehre gezeigt. Die berühmte Lehre desAristoteles von den dreı 
Stücken der Staatsgewalt!) beschreibt einfach die typischen Grund- 
züge der damaligen griechischen Staaten: Rat, Behörden, Volks- 
gerichte. Aus den Tätigkeiten, welche diese drei üben, gewinnt 
er eine Einteilung der Staatsgeschäfte selbst, Die Geschäfte, die 
er dem Povicvöuerov neoi T@r z0n@r zuweist, sind nicht etwa 
innerlich zusammenhängend, sondern entsprechen einfach dem 
Wirkungskreis, der dem obersten Organe der griechischen Stadt- 
staaten zukam. Diese mannigfachen Angelegenheiten: Entscheidung 
über Krieg und Frieden, sowie über Bündnisse, Gesetzgebung, 
Gerichtsbarkeit über schwere Delikte, Wahl der Beamten und 
Richter, sind die dem obersten, herrschenden Stück des Staates 
(zUgıov) zuständigen. Dadurch aber werden sie selbst in ihrer 
Gesamtheit die wichtigsten Staatsangelegenheiten. Ebenso sieht 
Aristoteles die Ämter mit Befehlsgewalt ausgerüstet und sieht 
deshalb in dieser das vornehmste Kennzeichen der doyai, sowie 
das Richten als Inhalt der Tätigkeit des öızalor sich sofort dem 
Betrachter darbietet. Aus den Funktionen daher, welche diese 
drei Elemente der staatlichen Organisation üben, gewinnt Aristoteles 
eine Einteilung der Staatsgeschäfte selbst: den getrennten Sub- 
jekten sollen getrennte Funktionen entsprechen. Es wird also 
nicht von den Funktionen auf die Organe, sondern vielmehr um- 
gekehrt von den Organen auf die Funktionen geschlossen. 
Die moderne Staatslehre hat in ihren Anfängen namentlich 
die absolute Monarchie zu erfassen. Da vermag sie denn keine 
andere Einteilung der Staatstätigkeiten zu finden als die nach 
den einzelnen Richtungen der monarchischen Gewalt. Unter Be- 
  
1) Pol. IV 1297b, 1298 a.
	        
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