Full text: Allgemeine Staatslehre

612 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
kraft staatlicher Hoheit an ihn sich anknüpfenden, anzuerkennenden 
und zu verwirklichenden Rechtsfolgen aus. 
Die zentrale Stellung unter diesen Funktionen nimmt die 
Verwaltung ein. Es gab lange Epochen in der Geschichte, denen 
die Gesetzgebung ganz unbekannt war. Verhältnismäßig hohe 
Kultur ist es, wo neben das Gewohnheits- das Gesetzesrecht 
tritt. Auch heute aber ist die Gesetzgebung eine intermittierende 
Funktion. Ebenso ist die Rechtsprechung intermittierender Natur; 
bei geringer sozialer Entwicklung können sogar längere Zeit- 
räume vergehen, in denen kein Anstoß für den Richter vorliegt, 
tätig zu werden. Verwaltung aber, die ja die Regierung in sich 
enthält, muß immer geübt werden. Ohne sie könnte der Staat 
keinen Augenblick existieren. Despoten ohne Gesetz und Richter 
sind wenigstens vorstellbar, der verwaltungslose Staat wäre 
Anarchie. Die Verwaltung ist aber auch die umfassendste 
Funktion. Alle Vorbereitung der Gesetzgebung fällt ihr zu, die 
richterliche Tätigkeit wird von ihr unterstützt, sie sichert die 
Vollziehung des Rechtspruches. Auch geschichtlich zeigt sich die 
Verwaltung als Grundfunktion, indem die Gesetzgebung erst 
später zu ihr hinzutritt oder aus ıhr sich absondert, und indem 
auch die rechtsprechende Tätigkeit, anfänglich auf ein geringes 
Maß beschränkt, mit wachsender Entwicklung des Staates einen 
immer breiteren Raum gewinnt. Daher kann man als Verwaltung 
alle Staatstätigkeit bezeichnen, dıe nach Ausscheidung von Gesetz- 
gebung und Rechtsprechung übrigbleibt!). In dieser Möglichkeit 
negativer Begrenzung zeigt sich ihre Bedeutung für den Staat. 
Nur die Verwaltung wurde in solcher Weise, durch den bloßen 
Gegensatz zu anderen Tätigkeiten und Gebieten des Staates, zu 
erklären versucht. 
Mit dem Wachstum der Gesetzgebung jedoch ändert sich 
die ursprüngliche Stellung der Verwaltung. Die Gesetzgebung 
  
1) Vgl. O.Mayer, 1S.7, der allerdings nicht die materiellen, 
sondern die formellen Funktionen im Auge hat. Mayer scheidet (1S.9) 
aus der Verwaltung die verfassungsrechtlichen Hilfstätigkeiten (Berufung 
und Schließung des Landtags, Ernennung von Herrenhausmitgliedern usw.) 
aus, weil sie gemäß seiner Auffassung der Verwaltung keine Tätigkeiten 
des fertigen Staates zur Verwirklichung seiner Zwecke sind. Aber auch 
die Beamtenernennung, die Mayer zur Verwaltung zählt, macht den 
Staat fertig. Jene Hilfstätigkeiten können als besondere Unterabteilung 
der Verwaltung gelten, nicht aber als ihr koordiniert. Ygl. auch 
Spiegel Die Verwaltungsrechtswissenschaft 1909 S.73.
	        
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