Full text: Allgemeine Staatslehre

614 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
Genossenschaftsregistern, Beurkundungen, Testamentserrichtungen 
usw.). Daß Justizakt und Rechtspruch keineswegs zusammenfallen, 
wird schon unmittelbar aus dem terminologischen Unterschied klar. 
Deckt sich somit der materielle (objektive) Gegensatz von 
Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung keineswegs mit dem 
formellen (subjektiven) der Tätigkeiten der gesetzgebenden, ver- 
waltenden und Justizorgane, so ist dennoch auf Grund der Er- 
kenntnis des Unterschiedes der materiellen Funktionen auch ihre 
fortschreitende Aufteilung an die entsprechenden Organe gefordert 
und in steigendem Maße durchgeführt worden. Unter diesem 
Gesichtspunkte hat man die Superiorität der Gesetzgebung über 
die Verordnungsgewalt, die Unzulässigkeit dispensatorischer Akte 
der Regierung ohne gesetzliche Ermächtigung aus der schärferen 
Erkenntnis des Wesens der materiellen Gesetzgebung abgeleitet. 
Die Auseinandersetzung zwischen Verwaltung und Rechtsprechung 
ist in stetem Fortschreiten begriffen. Die Verwaltungsgerichts- 
barkeit nimmt immer mehr an Umfang zu, und obwohl dort, wo 
bereits ein geregelter Instanzenzug vorhanden ist, die Vereinigung 
von Gerichts- und Beschlußbehörde in der unteren und mittleren 
Instanz noch statthat, so sind doch auch hier Ansätze zu einer 
organisatorischen Sonderung der verschiedenen Funktionen dieser 
Behörden durchgeführt worden. In England ist die Entscheidung 
über die Gültigkeit bestrittener Parlamentswahlen vom Unterhaus an 
einen Gerichtshof übergegangen, in anderen Staaten, in Erkenntnis 
der Natur jener Entscheidungen, deren Übertragung von den 
Kammern an Gerichte in Aussicht genommen oder gefordert 
worden!). Damit ist aber die Bedeutung des Unterschiedes 
zwischen materiellen und formellen Funktionen von höchstem 
praktischen Wert geworden, weil erst die Erkenntnis des Inhaltes 
der materiellen Funktionen den Weg weist für das, was den 
formellen Funktionen, d. h. genauer der Tat der Organe einer 
bestimmten Klasse, zuzuweisen ist. Um zu wissen, wie weit des 
Gesetzgebers Zuständigkeit sich erstreckt, muß man erst feststellen, 
  
1)G.Jellinek Ein Verfassungsgerichtshof für Österreich 1885 S. 10 ff. ; 
Gutachten i.d. Ausg. Schriften un. Reden II 1911 S. 398 ff.; v.Seyde] Ab- 
handlungen S.198ff.; Walz Über die Prüfung der parlam. Wahlen zu: 
nächst nach badischem Recht, Sep.-Abdr. 1902 S. 115ff£.; Leser Uhnter- 
suchungen über das Wahlprüfungsrecht des deutschen Reichstags 1908 
S.103ff. — Reichsges. ü. d. Verfassung Elsaß-Lothringens v. 31.5.1911 
Art. ll 89; dazu Leser i.d. bad. Verw.Ztschr. 1911 S. 181f£f.
	        
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