Full text: Allgemeine Staatslehre

632 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
Personen oder doch unter deren Mitwirkung vorgenommen wird, 
oder, noch kürzer und prägnanter ausgedrückt, alle öffentliche 
Verwaltung, die nicht oder nicht ausschließlich von Öffentlichen 
Berufsbeamten geübt wird!). Dieser politische Begriff dient nun 
als Wegweiser für die Erfassung des rechtlichen Wesens der 
Selbstverwaltung?). Ist sie nämlich nicht nur ein Prinzip im 
politischen Parteikampfe oder ein Gesichtspunkt, unter dem zu 
bestimmten praktischen Zwecken gewisse Erscheinungen des 
Staatslebens geordnet werden, sondern bedeutet sie eine bleibende 
Institution, so muß es von ihr, wie von allen dauernden staät- 
lichen Einrichtungen, einen Rechtsbegriff geben). Wer die 
Selbstverwaltung gänzlich in das politische Gebiet verweist, ver- 
kennt, daß alle publizistischen Rechtsbegriffe aus politischen 
hervorgewachsen sind, indem überall das, was im realen Leben 
der Staaten zu praktischen Zwecken gefordert und sodann dauernd 
geübt wird, sich notwendig zu Rechtsgestaltungen verdichtet. Es 
gibt keinen staatsrechtlichen Grundbegriff, der nicht aus dem 
Kampfe und Siege politischer Forderungen hervorgewachsen wäre. 
Überblickt man nunmehr die Staaten, um sie nach der Art 
ihrer Gliederung zu klassifizieren, so ergibt sich folgendes: 
  
2) In dieser negativen Begriffsbestimmung vereinigen sich die beiden 
voneinander gänzlich geschiedenen Bedeutungen des Wortes Selbst- 
verwaltung, die bürgerliche und körperschaftliche, wie Rosin sie be- 
zeichnet hat. Auch die, welche die rein politische Natur des Selbst- 
verwaltungsbegriffes behaupten, sehen sich doch genötigt, für. die Kor- 
porationsverwaltung einen staatsrechtlichen Begriff der Selbstverwaltung 
zuzugeben. Vgl. G.Meyer StR. S.346 und Laband im Rechtsgeleerd 
Magazijn 1891 S.14 (Sep.-Abdr.). 
2) Vgl. System der subj. öff. Rechte S. 277 (290) ff. 
3) Von neueren Versuchen, einen allgemeinen Rechtsbegriff zu ge- 
winnen, seien hier die von Neukamp und Preuß erwähnt. Offenbar zu 
eng definiert Neukamp, Der Begriff der ‚Selbstverwaltung‘ im Rechts- 
sinne, Archiv f.öff.R. IV S. 538, diese als die von der Ministerverwaltung 
rechtlich unabhängige, nur den Gesetzen des Landes unterworfene und 
deshalb von Weisungen einer vorgesetzten Behörde unabhängige Ver- 
waltung. Preuß, Städt. Amtsrecht S, 119ff., will auch alle bürgerliche 
Selbstverwaltung auf Verwaltung durch Organe von Selbstverwaltungs- 
körpern zurückführen, wodurch aber den entgegenstehenden geschicht- 
lichen und politischen Erscheinungen Gewalt angetan wird. Anderseits 
erklärt E. v. Meier in Holtzendorff-Kohlers Enzyklopädie Il 
S.644 ff. jeden positiven allgemeinen Begriff der Selbstverwaltung, 
der das englische und deutsche System zugleich umfaßt, für unauffindbar, 
in welchem Punkte ich mit ihm übereinstimme.
	        
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