656 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
sischen Staate!). Kroatien hat nicht nur einen eigenen Land-
tag, der an der Landesgesetzgebung mitwirkt, sondern auch eine
eigene Landesregierung, an deren Spitze der dem Landtage ver-
antwortliche Banus steht; es hat scine eigenen, von den unga-
rischen ganz unabhängigen Gerichte, die nur nach kroatischen
Gesetzen urteilen. Die Regelung seiner Beziehungen zu Ungarn,
die Ordnung der gemeinsamen Angelegenheiten aller Länder der
Stephanskrone sind durch ungarische und kroatische, inhaltlich
übereinstimmende Doppelgesetze erfolgt, jede Änderung in den
staatsrechtlichen Beziehungen Kroatiens zu Ungarn ohne aus-
drückliche Zustimmung des kroatischen Landtags ausgeschlossen.
Das Großfürstentum Finnland, ım Frieden von Frederikshamn vom
17. September 1809 von Schweden an Rußland abgetreten, hat
durch freie Entschließung des Kaisers Alexander I. trotz seiner
Einverleibung ın das russische Reich die weitestgehende Selb-
ständigkeit erhalten. Die alte, aus der Zeit, da es einen inte-
grierenden Bestandteil des schwedischen Staates bildete, her-
rührende Verfassung dieses Landes wurde bestätigt, und vom
Kaiser zu seinen bisherigen Titeln der eines Großfürsten von
Finnland angenommen. Auf Grund seiner Verfassung hat Finn-
land ein eigenes Territorium, eigene Angehörige, die nicht zugleich
russische Staatsangehörige sind; die ganze Verwaltung ist Finn-
land eigentümlich, mit Ausnahme der auswärtigen Angelegenheiten
und der militärischen Kommandosachen, die ihm mit Rußland
gemeinsam sind. Kroatien und Finnland, so nahe ihre Bildung
an die von Staaten grenzt, sind trotzdem keine Staaten, weil
ihre höchsten Organe, die Monarchen, mit denen der über sie
herrschenden Staaten identisch sind. Ihre Verfassungen sind aber
Bestandteile der Gesamtverfassung des Staates, dem| sie angehören,
und damit rechtlich, wie jede Verfassung, gegen willkürliche
Änderung geschützt. Erfolgt eine solche dennoch, so ist sie
stets als Verfassungsbruch zu werten?).
1) Näheres über Kroatien und Finnland s. Staatsfragmente S. 35 ff.
u. oben S.492 N.2.
2) In der weitschichtigen internationalen Literatur, die aus Anlaß
der Vergewaltigung Finnlands durch Rußland entstanden ist, sind meine
Ausführungen Gegenstand eingehender Erörterungen und Angriffe ge
worden, so z.B. von Delpech, La question finlandaise, Revue generale
de droit international public 1899 p.564ff.;, Despagnet, La question
finlandaise, Paris 1901, p.69ff.; Michoud et Lapradelle, La
question finlandaise, Paris 1901, p. 73ff.; Getz (Generalstaatsanwalt von