660 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
daher nach außen als dem Staate eigentümlich. Darin liegt
auch ein wesentlicher Unterschied zwischen Land und ab-
hängigem Staate, dem beschränkte völkerrechtliche Persönlichkeit
zukommen kann.
Das Land bezeichnet die äußerste Grenze, bis zu welcher
die Dezentralisation eines Staates gehen kann, ohne dessen
Charakter als Einheitsstaat zu zerstören. \enn diese Einheit
nämlich auch keine vollkommene ist, so geht sie doch nie so weit,
um den Charakter des einheitlichen Staates gänzlich aufzuheben.
Juristische Begriffe sind scharf, das Leben ıst fließend, die
Grenzen müssen daher mitten durch die Übergänge gezogen
werden.
Politisch bedeutet in der Regel das Land ein Element der
unvollkommenen oder der Desorganisation eines Staates. Neben-
länder können vom Hauptlande getrennt werden, ohne dessen
inneres Leben irgendwie zu berühren. Aber auch der Staat, der
Länder als integrierende Bestandteile besitzt, ermangelt der poli-
tischen Einheit. Häufig findet in den Gliedern ein zentrifugales
Streben nach größerer Selbständigkeit statt, das die Fortdauer
dieser Form des Staates ebenso prekär macht wie die der meisten
Staatenverbindungen. Die Existenz von Ländern beruht in der
Regel auf denselben Ursachen wie die vieler Staatenverbindungen:
auf der Unmöglichkeit, national, geschichtlich, sozial geschiedene
Volksmassen zur völligen Einheit zu verschmelzen. Der zentri-
fugalen entspricht von seiten des Staates wiederum häufig eine
zentralisierende Tendenz, woraus dann innere Kämpfe langwieriger
Art zu entstehen pflegen. Von der Dezentralisation durch Selbst-
verwaltung unterscheidet sich die durch Länder somit politisch
dadurch, daß jene eine normale, diese eine abnorme Form ist,
die entweder zu neuen Staatenbildungen oder zu einer stärker
zentralisierten, die Länder dieses ihres Charakters entkleidenden
Verfassung des ganzen Staates hinstrebt.