662 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
teilungsgründen ab, nicht minder die verschiedenen ökonomischen
Verhältnisse, welche dem Aufbau der Gesellschaft zugrunde liegen,
ebenso wie die wechselnden Erscheinungen der Staaten in ihrer
geschichtlichen Aufeinanderfolge!).
Alle Einteilungen dieser Art heben aber stets ein Element
hervor, das für den Staat als solchen zwar nicht ohne Bedeutung
ist, aber für ihn dennoch nicht entscheidend sein kann, weil
sie das eigentümlichste Element des Staates, das ihn von allen
anderen sozialen Bildungen unterscheidet, außer acht lassen.
Dieses Element aber ist die Staatsgewalt. Deshalb sind auch
alle die erwähnten Einteilungen nicht imstande, eine be-
friedigende wissenschaftliche Klassifikation zu gewähren. Es
1) Die Versuche, Einteilungen der Staatsformen zu gewinnen, sind
kaum erschöpfend aufzuzählen. Die ältere Literatur ist zum Teil an-
geführt bei H.A.Zachariae D.St.u.B.R.IS.74£f.; Mohl Enzyklopädie
S.109ff. und Waitz Politik S. 107ff. Zur Geschichte der Staatsformen-
lehre vgl. aus der jüngsten Literatur v. Martitz Die Monarchie als
Staatsform 1903 S. 10ff. Von dem Subjektivismus und der Verwirrung,
die diese Materie auszeichnen, mögen einige Beispiele eine Anschauung
geben: Despotie, Theokratie, Rechtsstaat (Welcker), Republiken, Auto-
kratien, Despotien (Heeren), organische, mechanische Staaten, zu den
ersteren Nomaden- und Ackerbaustaaten, zu den letzteren Hierarchien,
Ideokratien, Militärherrschaften, Banquierherrschaften zählend (Leo);
Idolstaaten, Individualstaaten, Rassestaaten, Formstaaten (Rohmer);
patriarchalische Staaten, Theokratien, Patrimonialstaaten, antiker Staat,
Rechtsstaaten der Neuzeit (Mohl), Einherrschaften, zerfallend in Mon-
archien und monokratische Republiken, und Pleonokratien inkl. der
Unterabteilungen der Pleonarchien und pleonokratischen Republiken
(Gareis), Monarchie und Pleonarchie, diese zerfallend in Aristokratie
und Demokratie (H.Geffeken Das Gesamtinteresse als Grundlage des
Staats- und Völkerrechts 1908 S.58, 14f.). Eine Fülle von Einteilungen
nach den verschiedensten Richtungen ist in der neuesten Literatur bei
Schvarcz, Elemente der Politik S.79ff,, zu finden: Aristokratien,
Timokratien, reine Demokratien, Kulturdemokratieu nebst Mischformen ;
Erbherrschaften und Freistaaten; Polizei- und Rechtsstaaten; Zentrali-
sationsstaaten, Selfgovernmentalstaaten, Staaten, die auf Provinzial- und
Munizipalautonomie beruhen und Mischformen,; homo- und .polyglotte
Territorial-, National- und Nationalitätenstaaten, homodoxe und polydoxe
Staaten, wozu noch zahlreiche Unterabteilungen kommen. R.Schmidt,
I S. 263ff., will die Frage nach der Staatsform zerfällen in die Fragen,
wer im Staate als Gesetzgeber, als Regierung und als Kontrollorgan
gegenüber der Regierung fungiert und unterscheidet demnach Regierungs-
und Verfassungsformen, unter welchen Gesichtspunkten einerseits die
bekannte antike Trias und anderseits der Gegensatz von absolutem und
Verfassungsstaat behandelt werden.