Vorrede zur ersten Auflage.
Das vorliegende Werk verdankt seine Entstehung sowohl
dem begreiflichen Drange des Forschers, den Ertrag eines wissen-
schaftlichen Lebens, der bisher in einer Anzahl von Monographien
sich darstellte, zu systematischer Einheit zusammenzufassen, als
auch dem Wunsche des Lehrers, seine Zuhörer auf ein Buch ver-
weisen zu können, das, dem gegenwärtigen Zustand der Wissen-
schaft angemessen, auch literarisch die Auffassung der Probleme
vertritt, wie er sie vom Katheder herab verkündigt.
Aber nicht nur an Fachgenossen und Schüler will es sich
wenden. Das Interesse an den staatlichen Grundproblemen ist
ja zweifellos vor den sozialen Fragen in den Hintergrund ge-
treten, und größere Aufmerksamkeit pflegen gegenwärtig nur die-
jenigen Arbeiten über Staatslehre zu erregen, die in der Mode-'
tracht der Sozialpolitik oder der Soziologie auftreten.
Es ist‘ denn auch seit mehr als einem Menschenalter kein
zusammenfassendes Werk auf diesem Gebiet entstanden, das
über den engen Kreis der Zunft hinausgegriffen hätte. Gewib
ıst daran auch der Zustand der Wissenschaft schuld. Wie wenig
ist da von sicheren Resultaten aufzuweisen! Ist doch fast alles
strittig: Methode, Plan und Ziel der Forschung, Art der Fest-
stellung und Durchbildung der einzelnen Ergebnisse. Die gründ-
liche, fast möchte ich sagen: mikroskopische Art der neueren
Untersuchungsweise hat dem gläubigen Vertrauen früherer Zeiten
ein Ende gemacht und dort, wo man einst felsenfeste Axiome
sah, ein wogendes Meer von Zweifeln geschaffen.
Und dennoch kann ein lebenskräftiges Volk zu keiner Zeit
eine ausgeprägte Lehre vom Staate entbehren. Es muß daher von
der fortschreitenden Wissenschaft immer wieder der schwierige
Versuch gewagt werden, den Staat ihrer Zeit für ihre Zeit zu
erfassen und darzustellen. So will denn auch dieses Werk die
Ergebnisse der neueren Forschung einem weiteren Kreise zu-
gänglich machen.