Full text: Allgemeine Staatslehre

38 Erstes Buch. Einleitende Untersuchungen. 
zwingenden Schlusse, daß alles sich unter anderen Verhältnissen 
anders gestalten kann. Die zahlreichen Darstellungen,. welche 
die Rechtssysteme von Völkern ‚minderer oder entlegener Kultur 
in neuester Zeit erfahren haben, zeigen. so viele und so weit- 
gehende Variationen, daß es immer schwieriger wird,:in diesem 
fortwährend sich mehrenden Gewirre einen unsere wissenschaft- 
liche Einsieht vermehrenden Bestand allgemeiner, typischer Eır- 
scheinungen zu finden?). 
Damit ergibt sich- aber auch vom methodologischen Stand- 
punkte aus die Beschränkung der Induktion auf jene Staaten, 
welche einem gemeinsamen geschichtlichen Boden: entsprossen 
sind, und die diesen gemeinsamen Boden bildenden politischen 
Gestaltungen der Vergangenheit. Nur wo gemeinsame historische, 
politische, soziale Grundlagen vorhanden sind,. wird sich eine 
weitgehende Übereinstimmung in Struktur und Funktion der 
Staaten nachweisen lassen. Der Hinblick auf andere. :Staaten- 
gruppen wird allerdings die Bedeutung einer Korrektur der Er- 
kenntnis haben, indem er vielfach lehren wırd, daß manches, 
was man in absoluter Weise vom Staate überhaupt auszusagen 
geneigt ist, doch nur historisch bedingt und daher relativ sei. 
Aber auch innerhalb des derart .aus der Reihe aller mög- 
lichen Staaten herausgehobenen Staatensystems muß die Ver- 
gleichung mit Vorsicht verfahren. Wie bereits erwähnt, "sind 
alle menschlichen Institutionen, :und daher auch der Staat, dyna- 
mischer. Natur, d. h. sein Wesen ist nicht ein für alle Zeiten 
festes, sondern ändert sich, bildet sich um, indem es sich dem 
ganzen Umwandlungsprozesse anschmiegt, den die Menschheit in 
ihrer Geschichte durchmacht. Um daher ein reich entfaltetes 
typisches Bild vom Staate zu erhalten, muß man gleichzeitige 
oder doch zeitlich nicht weit auseinanderliegende staatlıche 
Gebilde miteinander vergleichen. Allerdings werden typische 
Elemente nicht gänzlich fehlen, wenn man etwa antike und 
moderne Staaten in Parallele stellt, allein der tiefgreifende Unter- 
schied der auf veränderten :historischen Bedingungen ruhenden 
heutigen Staatenwelt von der des Altertums. läßt bei der Ver- 
gleichung beider die individualisierenden Elemente über die 
typischen überwiegen. Das zeigt sich deutlich, wenn man z. B. 
  
1!) Sehr lehrreich in dieser Hinsicht ist Post, Afrikanische Juris- 
prudenz, 2 Bde: 1887, der selbst nicht imstande ist, aus. dem ungeheuren 
von ihm gesammelten Material irgendein höheres Resultat 'zu ziehen.
	        
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