Full text: Allgemeine Staatslehre

672 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
subjektivität beigelegt werden. Dieser ausgeprägte Typus er- 
scheint innig verknüpft mit dem vorigen im Orient. Im Abendland 
wird er cbenfalls in der letzten Epoche des römischen Reiches 
rezipiert.. Der princeps wird da zum dominus, zum Staats- 
eigentümer?!). Doch zeigt sich in Europa der neue Typus ın 
abgeschwächter Form, da trotzdem die Persönlichkeit des Indi- 
viduums anerkannt wird. Deutlich tritt dies im germanischen 
Mittelalter hervor. Der König ist überall Herr des Landes, eine 
Vorstellung, die sich bis in die Gegenwart ım englischen Staats- 
recht, erhalten hat. Dieses Eigentum ist bloßes Obereigentum, 
während einzelnen und Verbänden das Nutzungseigentum zusteht. 
Damit ist verknüpft die Vorstellung‘ von dem Könige als oberstem 
Lehnsherrn. Beide Rechtsanschauungen wirken in bedeutsamer 
Weise mit an der dualistischen Ausgestaltung des mittelalterlichen 
Staatswesens. Äber auch der absolute Staat der neueren Zeit, 
so sehr er dem Feudalismus sich entgegensetzte und ıhn zu 
überwinden trachtete, hat doch die mittelalterliche Vorstellung 
nicht aufgeben wollen. So hat Ludwig XIV. den ganzen Staat 
als königliche Domäne betrachtet und die ihm zustehende Gewalt 
gleichsam als die Vereinigung der ehemals bloß oberlehnsherr- 
lichen Gewalt des französischen Königs mit der seigneurialen, die 
ihren ursprünglichen Inhabern entzogen worden war. Er selbst er- 
klärte, daß der König iın Staatsinteresse unbeschränkte Disposition 
über alle geistlichen und weltlichen Güter besitze?). In Deutsch- 
land ıst es die Auffassung der Landeshoheit als eines dinglichen 
Rechtes, welche den Landesherrn als Eigentümer des Territoriums 
erscheinen läßt, und Wirkungen dieses patrimonialen Gedankens 
sind noch bıs ın die Institutionen und die Literatur der Gegen- 
wart herab nachzuweisen). 
Auch dieser zweite Typus zeigt den Monarchen als außer- 
halb des Staates stehend. Der Staat ist ihm gegenüber entweder 
  
1) Mommsen Abriß S. 352. 
2) Vous devez donc premierement ötre persuad&, que les rois sont 
seigneurs absolus, et ont naturellement la disposition pleine et libre de 
tous les biens qui sont possedes, aussi bien par les gens d’eglise que 
par les seculters, pour en user en tout temps comme les sages &conomes, 
c’est-a.dire suivant le besoin general de leur Etat. CEuvres II p. 121. 
Vgl. jedoch hierzu Wahl Polit. Ansichten des offiziellen Frankreich 
ım 18. Jahrh. 1903 S. 37. 
3) Vgl. darüber aus der neuesten Literatur Schücking Der Staat 
and die Agnaten 1902 S. Yff.
	        
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