Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 685 
sidenten jedoch, denen für die einfache Gesetzgebung höchstens 
ein suspensives Veto zusteht, ist jeder Eingriff in den Gang der 
Verfassungsgesetzgebung unmöglich. Auch in England, selbst 
wenn man sich auf den Boden der politischen Lehre stellt, welche 
die Verweigerung der königlichen Zustimmung zu den Parlaments- 
beschlüssen nicht mehr für zulässig erklärt, bedarf auch heute 
noch jedes auf die Stellung des Königs, die königliche Präro- 
gative, bezügliche Gesetz der königlichen Initiative, was bei jeder 
Änderung der britischen Grundinstitutionen von einschneidender 
Bedeutung ist. Diese sind nämlich so innig mit der Prärogative 
verknüpft, daß jede wesentliche Änderung in ihnen, also jede 
Änderung der materiellen Verfassung Englands an einen könig- 
lichen Willensakt geknüpft ist!). Eine Aufhebung des Ober- 
hauses z.B. würde das zur königlichen Prärogative zählende 
  
absolute Veto des Königs in eingehender Begründung von der Juristen- 
fakultät zu Christiania (Om Kongens Sanktionsret, Kristiania 1881 
p. 91£.), übersetzt von Jonas unter dem Titel „Gutachten der jur. 
Fakultät über das Sanktionsrecht des Königs bei Grundgesetz- 
veränderungen“ 1882 S.81£.,, und von Seidler in der Zeitschrift für 
Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung VIII S.45ö5ff. Gegen das 
Sanktionsrecht spricht die Vorbildlichkeit der französischen Verfassung 
von 1791 für das norwegische Grundgesetz. Doch ist m.E. unter allen 
Umständen den Ausführungen Bernatziks zuzustimmen, der a.a.0. 
S.311 dem König gegen alle den Begriff des Königtums tangierende 
Storthingbeschlüsse ein absolutes Veto zuschreibt, so daß die Streitfrage 
nur auf die übrigen verfassungsändernden Storthingbeschlüsse sich zu 
beschränken hat. Der Schlußsatz der Verfassung (Art. 112), der deren 
Prinzipien zuwiderlaufende Änderungen untersagt, kann nur in diesem 
Sinne, der allein mit dem Wesen der Monarchie verträglich ist, ausgelegt 
werden. Nach der Trennung Norwegens von Schweden wird vermutlich 
diese Frage durch authentische Interpretation zugunsten des Königtums 
gelöst werden müssen, zumal die praktische Bedeutung des suspensiven 
Vetos gegen den Unionskönig gerichtet war. Im parlamentarisch regierten 
unabhängigen Norwegen ist es politisch völlig überflüssig. Die Frage 
harrt bis zum heutigen Tage der gesetzlichen Regelung; sie wird aber 
auch in der neuesten Darstellung des norwegischen Staatsrechts mit 
einleuchtenden Gründen zugunsten des königlichen Vetorechts be- 
antwortet: Morgenstierne Das Staatsrecht des Königreichs Nor- 
wegen 1911 S.112ff. Anders Zweig Die Lehre vom Pouvoir Con- 
stituant 1909 S. 269. N. 4. 
1) Vgl. May Law of Parliament, 11. ed. 1906 p.448f. Die Königin 
Viktoria hat mehrmals ihre vorläufige Zustimmung zu solchen Gesetzen 
verweigert, die deshalb von der Tagesordnung abgesetzt werden mußten; 
vgl. May p. 449. Zudem kann die Krone die Einbringung einer jeden bill
	        
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