Full text: Allgemeine Staatslehre

690 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
der Kirche klar formulierte Satz: summa sedes a nemine iudicatur. 
Jede strafrechtliche oder politische Verantwortlichkeit für Re- 
gierungsakte hebt für das Staatshaupt das Merkmal des obersten 
Organes auf, weil der Richter Imperium über den Angeklagten 
ausübt. Das gilt aber auch für alle privaten Akte.des Monarchen. 
Streng logische Konsequenz würde ihn sogar der Zivilgerichts- 
barkeit entziehen, was im englischen Recht seine formelle Ver- 
wirklichung gefunden hat, während in der Regel Unterwerfung 
unter das Zivilrecht, wofern nur die einen Zwang gegen die 
Person einschließenden Bestimmungen ausgenommen sind, der 
herrschenden Rechtsanschauung über die Stellung des Monarchen 
nicht widerspricht. Die Idee einer Verantwortlichkeit des Mon- 
archen!), wie sie sich in den deutschen Rechtsbüchern wider- 
spiegelt?), kann nur im dualistischen Staate entstehen, wo klare 
Vorstellungen über das Verhältnis beider Staatsteile nicht vor- 
handen sind. Da können denn, dem vertragsmäßigen Verhältnis 
von König und Reich entsprechend, den englischen Baronen das 
Recht der Pfändung des Königs zum Schutz der Magna Charta, 
den ungarischen Adligen das Recht der bewaffneten Insurrektion, 
den aragonischen Ständen die Befugnis zur Versagung des Ge- 
horsams im Falle einer Verletzung ihrer Rechte durch den König 
zugesagt sein. Wo aber der Gedanke der Staatseinheit in’ der 
Staatsordnung klar ausgeprägt ist, da wird Unverantwortlichkeit 
zum Essentiale des Monarchenbegriffes?), dem gegenüber ver- 
Fud 
  
1) Strafrechtlicher Verantwortlichkeit unterlag der fränkische König 
nicht, vgl. Schröder S.116. Die Vorstellung einer solchen kann sich 
daher nur seit dem Zerfall des Frankenreiches gebildet haben, 
2) Sie war Theorie, nicht geltendes Recht. Vgl. v.Frisch, Die 
Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten Magistrate 1904 S. 110 ££., 
der treffend hervorhebt, daß auch der auf ihr ruhenden Bestimmung der 
Goldenen Bulle c.V 83 keine praktische Bedeutung zukam. Noch 
Gönner, Staatsrecht 5.121, hält eine Absetzung des Kaisers für zu- 
lässig, verlangt aber hierzu nach der Wahlkapitulation Art.I 883,4 
Bewilligung des Reichstags. Da nun ein Reichsschluß nur mit kaiser- 
licher Zustimmung zustande kam, so hätte der Kaiser sich selbst ab- 
setzen müssen | 
3) Doch können anderseits auch unverantwortliche republikanische 
Staatshäupter vorkommen. Solcher Art waren die französischen Konsuln 
auf Grund der Verfassung vom 22. frimaire des Jahres VIII, titre V] 
Art. 69,70. Ganz wie bei Monarchen war bei den Konsuln jede straf- 
gerichtliche Verfolgung auch wegen außerordentlicher Handlungen aus- 
geschlossen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.