Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 695 
unterschied. Die absolute Monarchie pflegt auf Grund des antiken 
Gegensatzes von Monarchie und Tyrannis derart gezeichnet zu 
werden, daß die Herrschermacht an dem Privatrecht der einzelnen 
eine Schranke findet. Allein auch ihre öffentlich-rechtliche Ord- 
nung ist Recht, nicht Willkür. Die feste Ämterorganisation des 
modernen Staates verdankt wesentlich den Zeiten der absoluten 
Monarchie ihre wichtigsten Keime. Die Grundlagen dieser Organi- 
sation sind aber Bestandteile der materiellen Verfassung eines 
jeden Staatswesens. Schon im Mittelalter zählte die Ausbildung 
der Zentralbehörden in England und Frankreich sowie deren Ein- 
fluß auf die Gestaltung des Ämterwesens in Deutschland und seinen 
Territorien zu Anfang der neueren Zeit zu den bedeutsamsten 
Vorgängen in der Verfassungsgeschichte dieser Staaten. Durch 
Errichtung einheitlicher oberster Behörden sind später manche 
Staaten aus vordem staatsrechtlich getrennten Teilen zur Ein- 
heit zusammengefügt worden. 
Mit den Ämtern bildet sich in der absoluten Monarchie all- 
mählich ein festes Beamtenrecht. In diesem, in der inneren 
Verfassung der Ämter, in der Herstellung geregelter Instanzen, 
in der Verwaltungstradition, die jede Behörde pflegt, liegen auch 
gewisse Garantien gegen willkürliche Verwaltung und Änderung 
amtlicher Kompetenzen. Auch die Selbständigkeit der Justiz 
gegenüber der Verwaltung findet sich in den absoluten Staaten 
der neueren Zeit bereits mehr oder minder scharf ausgeprägt 
vor. So hat denn auch die absolute Monarchie ihre ausgebildete 
Verfassung, deren Grundlage in der Delegation von, der Substanz 
nach dem Monarchen verbleibenden, Zuständigkeiten an mittel- 
bare Organe besteht. Darin, daß der Monarch die geliehenen 
Kompetenzen jederzeit wieder an sich ziehen oder in sie ein- 
greifen kann, und daß kein unabhängiges Organ vorhanden ist, 
dem rechtliche Macht zusteht, eine Handlung des Monarchen zu 
verhindern und die Tätigkeit der Behörden zu kontrollieren, so- 
mit die Einhaltung der verfassungsmäßigen Schranken ganz !n 
den rechtlich gestimmten Willen des Monarchen und seiner Be- 
hörden gestellt ıst, liegt das unterscheidende Merkmal dieser Art 
von Veriassungen von anderen. 
Die uralte Erfahrung, daß absolute Gewalt dem Mißbrauch 
zuneigt, hat bereits im Altertum die Probleme der Beschränkung 
der Gewalt und der Gewähr ihres gesetzmäßigen Funktionierens 
in den Vordergrund der praktischen Politik gedrängt. Als Haupt-
	        
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