Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 697 
obrigkeitlichen Staate!) sowie die Eigenberechtigung der mit Viril- 
stimmen ausgerüsteten Ständemitglieder oder der durch Mandatare 
vertretenen Verbände, die bei schroffer Ausprägung des ständischen 
Gedankens niemandes Organe, sondern durchaus selbständige 
Rechtssubjekte sind. Die Stände sind demnach in ihrer aus- 
geprägten Gestaltung Körperschaften, die, aus selbständigen Rechts- 
subjekten ohne ÖOrganqualität zusammengesetzt, ihr Recht und 
ihre Interessen vertreten, die mit dem Fürsten, wie mit einem 
anderen selbständigen Rechtssubjekte, paktieren oder auch kämp- 
fen, die Räte des Fürsten zur Verantwortung ziehen?) und auf 
ihrem Höhepunkt ihre eigene Verwaltungs-, Heeres- und — selbst 
später noch — ihre eigene Finanzorganisation, ja sogar ihre Ver- 
tretung nach außen durch Gesandtschaften haben?), daher nach 
den Begriffen unserer Zeit einen Staat im Staate darstellen. 
Ihr Recht ist namentlich nach zwei Richtungen hin als von 
dem des, wenn der Ausdruck erlaubt ist, fürstlichen Staates 
getrennt. Einmal dem Fürsten gegenüber, der in ihrer Blüte- 
zeit auf ıhre Vasallentreue im Kriege, auf ihre ganz freiwilligen- 
Gaben zur Ergänzung der von ihm aus dem Ertrag seiner Do- 
mänen und den Regalien zu bestreitenden Staatsausgaben oder 
auch zur Aufbesserung seiner Privatwirtschaft angewiesen ıst, 
dessen Herrschaft den konkreten Machtverhältnissen gemäß von 
ihnen entweder kontrolliert, durch eigene Rechte eingeschränkt 
oder auch von ihnen geteilt wird. Sodann gegenüber ihren Unter- 
gebenen, über die ihnen Herrschaftsrechte zustehen, deren Aus- 
übung zwar der Kontrolle des Fürsten, zumal in der höchsten 
  
1) Vgl. neuestens die zusammenfassende Studie von Rachfahl, 
Alte und neue Landesvertretung in Deutschland, Schmollers Jahrb. 1909 
S. 89 ff. 
2) Unsere moderne Ministerverantwortlichkeit stammt aus dem 
dualistischen Staate und ist keineswegs nur im mittelalterlichen England 
in ihren ersten Anfängen zu finden. Vgl. nähere Nachweise bei 
Schvarcz, Montesquieu und die Verantwortlichkeit der Räte des 
Monarchen in England, Aragonien, Siebenbürgen und Schweden (1189 
bis 1748) 1892. Die neueste Literatur über den ständischen Staat in den 
oben S.321 N.1 genannten Werken, hierzu noch Tezner Technik und 
Geist des ständisch-monarchischen Staatsrechts (Schmollers Forschungen 
XIX 3) 1901. 
3) Noch 1790 verlangten die ungarischen Stände von Leopold II., 
daß zu einem Frieden mit den Türken ungarische Gesandte beigezogen 
werden sollten. A. Wolff-Zwiedinek-Südenhorst Österreich unter 
Maria Theresia, Josef II. und Leopold II. 1884 S. 352.
	        
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