02 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
tarischen Regime in England mit unbezweifelter Vorherrschaft
des Unterhauses sprechen!?).
In der englischen Geschichte treten somit dıe drei Arten der
beschränkten Monarchie der mittleren und neueren Zeit in ge-
schichtlicher Abfolge zutage: die ständische, die konstitutionelle
und die parlamentarische Monarchie. Von diesen drei Arten ist
nur die erste und zweite streng juristisch zu erfassen, während
die dritte Art eine auf den konkreten Machtverhältnissen der
beiden unmittelbaren Staatsorgane ruhende politische Spezies der
Monarchie, eine Art der Ausübung der Regierung, aber keine
rechtlich ausgeprägte Staatsform bildet. Denn die Vorherrschaft
des Parlaments über den Monarchen, die sich für diesen nament-
lich in der Notwendigkeit bekundet, die Minister aus der je-
weiligen Parlamentsmajorität zu wählen, ist ein durch die realen
politischen Beziehungen zwischen Krone und Parlament gebotener
1) Das Kabinett Melbourne gab am 7. Mai 1839 seine Demission,
weil es der Majorität des Unterhauses nicht mehr sicher war. Die
Königin betraute Sir Robert Peel mit der Bildung eines neuen Kabinetts.
Als aber Peel die Entlassung der wighistisch gesinnten Hofdamen, der
Ladies of the Bedchamber, verlangte,, wurde ihm dies von der durch
solches Ansinnen verletzten Königin abgeschlagen, worauf Peel auf
die Kabinetisbildung verzichtete. Hierauf wurde das Kabinett Melbourne
wieder ernannt und erlitt im Parlamente Niederlage auf Niederlage.
Auf Grund eines am 4. Juni 1841 mit einer Stimme Majorität beschlossenen
Mißtrauensvotums wurde hierauf das Unterhaus aufgelöst, und als
sodann eine große oppositionelle Majorität gewählt wurde, trat am
30. August 1841 das Kabinett Melbourne zurück, um dem Ministerium Peel
Platz zu machen, hatte also mehr als zwei Jahre ohne ausgesprochene
Majorität die Geschäfte geleitet. (Vgl. die eingehende Darstellung bei
Todd Über die parlamentarische Regierung in England, übersetzt von
Aßmann, 11869 S.110ff, ferner McCarthy I p.132£ff.) Von da
angefangen erst datiert das heute in England herrschende System, und
es ıst keineswegs ausgeschlossen, daß es selbst bei gleichbleibenden
parlamentarischen Verhältnissen unter einem anderen König einen anderen
Typus erhält. Jedenfalls steht ‚auch heute noch, wenn die entgegen-
gesetzten Parteien einander ungefähr die Wage halten, die Entscheidung
bei der Krone. Auch die politische Bedeutung des heutigen englischen
Königtums darf nicht so gering gewertet werden, wie gemeiniglich
angenommen wird. Selbst ein die reale Macht der Krone so niedrig
veranschlagender Schriftsteller wie Bagehot weist eingehend die be-
deutsame Rolle nach, die sie im Staatsleben spielt, und die der parla-
mentarischen Monarchie einen großen Vorzug vor der Präsidentschafts-
republik gibt. Vgl. oben S.680ff. und nunmehr auch Hatschek
Engl. Staatsr. I S. 665 £f.