712 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtsiehre.
Unterarten des einen großen Genus Republik und auch da nur
insoweit in Betracht kommen, als feste formale Unterschiede
zwischen ihnen, nicht nur jene oben geschilderten fluktuierenden,
Analogien, aber nicht Identitäten darbietenden sozialen Elemente
als Einteilungsprinzipien dienen. Der ın der Republik entschei-
dende höchste Wille kann überdies viel mannigfaltiger gebildet
sein, als die herkömmlichen Ansichten annehmen. Es kann eine
außerhalb des Staates stehende juristische Person sein, der die
Herrschaft zusteht; es kann einer der leitenden Personen eine
gesetzliche Vorherrschaft zustehen, so daß dieser Typus der
Monarchie sich annähert. Es kann eine Mehrheit ganz verschieden
gearteter Kollegien in ihrem Zusammenwirken die höchste Gewalt
besitzen. Auch eine Mehrheit von Monarchen kann sich ver-
einigen, um eine Republik zu bilden. Daher fällt auch das
Deutsche Reich, in dem die zur Einheit verbundene Gesamt-
heit der verbündeten Regierungen herrscht, unter den Typus
der Republik. Über die Staatsform des Deutschen Reiches
schweigen die meisten Schriftsteller des Reichsstaatsrechts. Von
einigen wurde sie als Pleonokratie bezeichnet!); das ist aber
nichts anderes als ein neues Wort für eine alte Sache. Denn
Republik ist eben Mehrherrschaft im Gegensatz zur Einherrschaft.
Daß das Reich Republik sei, hat aber kein Geringerer als Bis-
1) Zorn StR.I S.90 und Die deutsche Reichsverfassung 2. Aufl.
1913 S.5öl; Gareis Allg. StR. S.38. Viel zutreffender ist es, wenn
vom Boden der antiken Dreiteilung aus G. Meyer, Grundzüge des
norddeutschen Bundesrechts 1868, das Reich als konstitutionelle Ariısto-
kratie bezeichnet. Geffcken, Verf. d. deutschen Reiches S.17, nennt
das Reich eine Oligarchie, die er ohne durchschlagenden Grund ınit der
Monarchie als Unterart der Aristokratie auffaßt. Neuerdings vermeidet
Geffeken diesen Fehler: „Das Gesamtinteresse als Grundlage des Staats-
und Völkerrechts‘‘ 1908 S.58; hier sind Monarchie und Aristokratie
(jegensätze. Sehr vorsichtig drückt sich Combothecra aus: La con-
ception juridique des regimes 6tatiques 1912 p.22; für ihn ist das
Deutsche Reich ‚une republique aristocratico - democratico -monarchique“.
Nach Hatschek, Allg. StR. I S.9, ist das Deutsche Reich eine
Monarchie, was sich schwer mit den Mehrheitsbeschlüssen des Bundes-
rats vereinigen läßt. Wie Hatschek, doch mit anderer Begründung,
Rehm, Kleine Staatslehre 5.63. Zorn, Deutsche Literaturzeitung,
a.a.0. S.880, polemisiert gegen die hier vorgetragene Lehre, trotzdem
er doch selbst das Reich nicht als Monarchie, also in meinem Sinne
als Republik auffaßt. Welche Scheu vor einem Wöoörtel Mit der hier
vertretenen Auffassung übereinstimmend Hubrich und wohl auch
W. van Calker, Hdbch. d. Politik I 1912 S. 85 u. 145.