Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 719 
Keineswegs aber geht die Idee der demokratischen Republik 
so weit, daß alle Einwohner des Staates politische Rechte haben 
sollen, sondern nur die Mitglieder des Staates. Im Altertum 
waren die Sklaven vom Staate gänzlich ausgeschlossen, einer 
selbständigen, vom Staate unabhängigen Gewalt, der häuslichen, 
unterworfen. Die oft gehörte Behauptung, die antiken Demokratien 
seien wegen ihrer politisch rechtlosen Sklavenmengen Aristokratien 
gewesen, ist deshalb irrig. Der Staat als solcher herrschte über- 
haupt nicht über die Sklaven, die dem Dominium, nicht dem 
Imperium unterworfen waren. Ebensowenig waren die Sklaven- 
staaten der amerikanischen Union Aristokratien im Rechtssinne. 
Aber auch in der Gegenwart ist der Fremde in der Demokratie 
(wenige Ausnahmen abgerechnet) nicht Mitglied der herrschenden 
Volksgemeinde. 
Die demokratische Republik ıst auch viel unabhängiger von 
der sozialen Schichtung des Volkes als die Aristokratie. Wie 
sie einerseits vereinbar ist mit dem Ausschluß eines großen Teiles 
der Bevölkerung vom Staate, wie im Altertum, so tritt 'sie ander- 
seits auch bei Völkern mit Rechten alter privilegierter Stände, 
sowie bei tiefgreifenden Unterschieden in der sozialen Lage der 
wirtschaftlichen Klassen auf, also selbst dann, wenn Elemente zu 
einem aristokratischen Aufbau der Verfassung gegeben wären. 
Niemals aber kann sich in einem sozial ausgeglichenen Volke 
eine Aristokratie entwickeln. 
Die demokratische Republik hat geschichtlich die folgenden 
eigentümlichen Gestaltungen gezeigt: 
A. Die antike Demokratie. Sie beruht sowohl auf 
dem Gedanken der Identität von Bürger und aktivem Staats- 
glied als auch der völligen Gleichheit der Staatsglieder im 
Hinblick auf alle Fähigkeiten publizistischer Art. Daher er- 
scheinen für sie das Los oder gesetzlicher Reihendienst als die 
einzigen entsprechenden Mittel, die öffentlichen Ämter zu be- 
setzen, die Wahl hingegen, die doch persönliche Qualitäten des 
Kandidaten bevorzugt, bereits als aristokratische Einrichtung. 
Darum kommt aber auch im Altertum dieser der antiken demo- 
kratischen Idee entsprechende Typus nur selten zur reinen 
Existenz. Die neuere Demokratie hingegen kennt diesen Ideal- 
begriff nicht, das Los entscheidet in ihr nur ganz ausnahmsweise, 
und der Reihendienst hat höchstens untergeordnete Bedeutung. 
Die Ablehnung der Wahl als einer aristokratischen Institution
	        
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