Full text: Allgemeine Staatslehre

128 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
deshalb, weil sie ihn wählen, er daher im Falle einer Wiederwahl 
ihnen während der Dauer seiner Präsidentschaft genehm gewesen 
sein muß. Außerdem ist die Regierung bei der großen Kompetenz 
der Kammern und den geringen Machtmitteln, die ihr diesen 
gegenüber zustehen, fortwährend von Kammerbeschlüssen ab- 
hängig, die mittelst der Annahme und Verwerfung von Tages- 
ordnungen mit unberechenbarer Willkür Ministerien stürzen und 
den im Amte befindlichen die Richtung ihrer Politik vorschreiben. 
Rechtlich aber ist der Präsident von den Kammern abhängig, 
da sie jederzeit seine verfassungsmäßige Stellung ändern können. 
In der Union hingegen ist der Präsident vom Kongreß unabhängig, 
nicht nur kraft des verfassungsmäßigen Ausschlusses der parla- 
mentarischen Regierung, sondern auch deshalb, weil der Kongreß 
nur begrenzte Gesetzgebungsgewalt hat und an den verfassungs- 
mäßigen Kompetenzen des Präsidenten nicht zu rütteln vermag. 
Trotzdem würde, wie bereits erwähnt, im Falle eines ernstlichen, 
andauernden Konfliktes bei der weiten Ausdehnung der gesetz- 
geberischen Zuständigkeit des Kongresses sich dieser als das 
stärkere Organ erweisen. 
y. Repräsentative demokratische Republiken 
mitunmittelbar-demokratischenInstitutionen. Die 
dritte Form der demokratischen Republik ruht auf der Verbindung 
der ‚repräsentativen mit Elementen der unmittelbaren Demokratie. 
Im Grunde gehören bereits die sub « erörterten Gebilde hierher; 
wegen der eigentümlichen Art der Tätigkeit der Volksgemeinde 
jedoch, die nicht nur durch Abstimmung wählt und beschließt, 
sondern sich tatsächlich versammelt und berät, haben sie eine 
besondere Stellung gefunden. 
Auch für diesen dritten Typus sind manche Unterschiede 
seiner konkreten Ausgestaltung vorhanden. Gemeinsam ist allen 
Verfassungen der hierher gehörigen Staaten, daß die Volksgemeinde 
als solche sich niemals sıchtbar versammelt, sondern nur durch 
Abstimmung tätig wird. Es kann nun die Tätigkeit der Volks- 
gemeinde auf außerordentliche Fälle beschränkt bleiben, vornehm- 
lich also, wenn es sich um endgültige Beschlüsse über neue Ver- 
fassungen oder Verfassungsänderungen handelt, wie es früher 
mehrfach in Frankreich der Fall wart). Auch eine bloß rat- 
  
!) Die Idee der Volksabstimmung über Verfassungen und Gesetze 
taucht in Frankreich zuerst 1793 unter dem Einflusse der Lehre 
Rousseaus auf. Das Projekt der girondistischen Verfassungen ent-
	        
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