138 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
liche Vorstellung eines Völkerrechtes mangelte, zu verzeichnen
sind. Im Zusammenhange mit dem Kriege trıtt schon frühe
die Bundesgenossenschaft als erste Form freundlichen Staaten-
verkehrs hervor. Kriegerische Bündnisse aller Art bezeichnen
den ersten Schritt zu einem Zusammenschluß verschiedener
Staaten zu Staatenverbindungen. Neben dem Krieg aber, wenn
auch zunächst von ihm auf das bedeutsamste beeinflußt, geht
ein durch die Macht der sozialen Verhältnisse hervorgerufener
wirtschaftlicher Verkehr einher, der die gegenseitige Abhängig-
keit der Staaten festigt und steigert. Gemeinsame Kultur und
Interessen engerer Staatensysteme lassen in diesen engere Ver-
bindungen schon in Epochen entstehen, die reicherer Entfaltung
internationaler Rechtsbildung sonst nicht günstig waren. Erst die
neueste Zeit aber schafft die Erkenntnis der vorhandenen und stets
fortschreitenden Solidarität geistiger und wirtschaftlicher Kultur-
interessen der in Verkehrsgemeinschaft stehenden Staaten, die
höchst bedeutsame Wirkungen auf deren innere Ordnung hervor-
bringt.
2. Im weiteren Sinne des Wortes ist unter Staatenverbindung
jede auf einem Rechtsgrunde beruhende dauernde Beziehung
zweier oder mehrerer Staaten zu verstehen. In diesem Sinne bil-
den alle durch die Gemeinsamkeit des Völkerrechts verbundenen
Staaten eine große Verkehrsgemeinschaft, innerhalb deren sich
wiederum die durch gemeinsame geographische Lage verbundenen
und durch sie von anderen getrennten Staaten vermöge der
innigeren Beziehungen, die sich zwischen ihnen entwickeln, als
Staatensysteme gegenüberstehen. So wird das europäische
von dem amerikanischen oder ostasiatischen Staatensystem unter-
schieden. Diese Verbindungen sind aber sozialer, nicht recht-
licher Art, es passen auf sie vollauf die Merkmale, welche inner-
halb der Staaten die sozialen Gruppen voneinander scheiden.
Rechtliche Verbindungsformen hingegen, die dem weiteren Staaten-
verbindungs- Begriffe unterstehen, werden durch zahlreiche,
dauernde Beziehungen der Staaten schaffende Verträge hervor-
gerufen. Sie sind stets völkerrechtlicher Art.
Von alters her ist es vorgekommen, daß Staaten sich gegen-
seitig dauernd Vorteile versprechen. Schon die frühesten Zeiten
seßhafter Staaten weisen derartige Ergänzungen der inneren
Staatstätigkeit durch Leistungen anderer Staaten auf. Die längste
Zeit hindurch tragen sie aber einen zufälligen Charakter an sich,