Full text: Allgemeine Staatslehre

142 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtsichre. 
Interessen souveräner Staaten die Pflicht der Vertragstreue zurück- 
steht!). Daher wird auch von keiner Seite die völlige Unabhängig- 
keit alliierter Staaten bestritten, sofern die Allianz nicht etwa der 
Deckmantel eines anderen dauernden Abhängigkeitsverhältnisses 
ist. Alliierte Staaten sind und bleiben souverän. 
4. Im folgenden sollen nun die Staatenverbindungen im 
engeren Sinne untersucht werden, soweit dies im Rahmen einer 
allgemeinen Staatslehre zulässig ist. Hierbei wird von eingehen- 
der Untersuchung über Klassifikation der Staatenverbindungen ab- 
gesehen, da die früher erörterten Einwände gegen die Ersprießlich- 
keit solchen Unternehmens hier verdoppelt wiederkehren. Staaten- 
verbindungen bieten in der Regel auch viel verwickeltere Typen 
dar als Einheitsstaaten. Daher hätte eine gründliche systematische 
Klassifikation noch viel mehr Unterabteilungen zu schaffen als 
bei der Einteilung der Einheitsstaaten, ohne doch irgendeine 
individuelle Bildung nach allen Richtungen hin in die aufgestellten 
Schablonen pressen zu können. So sollen denn nur die wich- 
tigsten, auch praktisch bedeutsamsten Unterschiede den nach- 
stehenden Erörterungen zugrunde gelegt werden. 
Von Bedeutung ist einmal der Gegensatz von organisierten 
  
1) Vgl. die klassischen Worte Bismarcks, Gedanken und Er- 
innerungen II S. 258£.; v. Liszt, a.a.0. S.170, bezeichnet den Satz, 
daß alle völkerrechtlichen Verträge mit der Klausel ‚rebus sic stan- 
tibus‘‘ abgeschlossen werden, als zweifellos unrichtig, weil dadurch die 
Grundlagen der Völkerrechts verneint würden, vgl. auch Rivier Principes 
II p. 127ff. Zu unterscheiden sind jedenfalls unwesentliche und wesent- 
liche Voraussetzungen des Vertrages. Nur eine Änderung der letzteren 
hat vertragsauflösende Wirkung. Rechtlich aber liegt dem auf diese 
Klausel sich berufenden Staat der Beweis der geänderten Umstände und 
deren Erheblichkeit ob, stellt daher die Dauer des Vertrages keineswegs 
in das willkürliche Ermessen des Einzelstaates. Grundsätzlich überein- 
stimmend E.Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die clausula 
rebus sic stantibus 1911 S. 221; Aall und Gjelsvik, Die norwegisch- 
schwedische Union 1912 5.297. Der heutigen völkerrechtlichen Literatur 
ıst es übrigens unbekannt, daß die Lehre von der erwähnten Klausel von 
Naturrechtslehrern unter Einfluß von L.38 pr. D. de solut. et lib. 46, 3 
zuerst für die privatrechtlichen Verträge aufgestellt und sodann auf alle 
Arten von Verträgen ausgedehnt wurde. Vgl. Schilling Lehrbuch des 
Naturrechts I 1859 S.225 und die S.226 N.c zitierten Schriftsteller, 
ferner L. Pfaff Die Klausel: Rebus sic stantibus in der Doktrin und 
der österr. Gesetzgebung, in der Festschrift zum 70. Geburtstag Joseph 
Ungers 1898 S.221f£.; Bruno Schmidt Die völkerrechtliche clausula 
rebus sic stantibus 1907 S.5ff.
	        
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