Full text: Allgemeine Staatslehre

144 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
deration der australischen Kolonien Großbritanniens an sich, das 
Commonwealth of Australia, dessen Verfassung noch mehr von den 
bundesstaatlichen Ideen amerikanischen Gepräges beeinflußt ist 
als die kanadische und dessen Unterordnung unter das herrschende 
Mutterland noch lockerer ist als die Kanadast). Unter historisch- 
politischem Gesichtspunkte sind diese Bildungen als werdende 
Bundesstaaten zu bezeichnen. Andere Fälle ähnlicher Art 
sind oben eingehend erörtert worden. Sie beweisen, daß das 
geschichtliche Leben Übergänge gebiert, die mit den notwendig 
in gewissem Grade starren Rechtsbegriffen nicht völlig in ihrer 
Eigenart erfaßt werden können. 
Zu den .scheinbaren Staatenverbindungen zählt ferner die 
Personalunion, die aber des besseren Verständnisses wegen 
mit der Realunion zusammen abgehandelt werden soll. So wenig 
es vom Standpunkt strengster Systematik gerechtfertigt sein mag, 
die Personalunion als Scheinverbindung überhaupt den Staaten- 
verbindungen zuzuzählen, so sehr muß eine Lehre von diesen 
Verbindungen sie wegen ihrer Unterschiede von der Realunion be- 
rücksichtigen. 
B. Staatenverbindungen im Rechtssinne. 
1. Völkerrechtlich begründete Abhängigkeitsver- 
hältnisse?). Mannigfaltig sind die dauernden, auf völkerrecht- 
lichen Akten beruhenden Abhängigkeitsverhältnisse, in die ein 
bisher selbständiger Staat geraten kann. Streng ist aber in diesen 
Fällen die politische von der juristischen Anschauungsweise zu 
trennen. Rechtliche Selbständigkeit ist nämlich selbst bei weit- 
gehender politischer Abhängigkeit möglich. Diese Unterscheidung 
ist praktisch von großem Werte, da bei rechtlicher Selbständig- 
keit, wenn die faktische Abhängigkeit noch so weit reicht, das’ 
in Frage stehende Gebilde als souveräner Staat oder nicht- 
souveräner Staat zu charakterisieren ist und demgemäß alle ıhm 
  
1) Vgl. die Parallele zwischen Kanada und Australien bei Doerkes- 
Boppard Verfassungsgeschichte der austr. Kolonien und des Common- 
wealtlı of Australia 1903 S. 287 ff.; H.Speyer La constitution juridique 
de l’Empire colonial britannique 1906 p. 120ff., 129££.; J. Kohler i.d. 
Ztschr. £. Völkerrecht u. Bundesstaatsrecht I 1906 S.8£.;, M. Huber i.d. 
Ztschr. f. Völkerrecht usw. III 1909 S. 325. Wiederum Australien nach- 
gebildet ist die südafrikanische Union nach dem Gesetze von 1%9. 
2) Vgl. aus der neuesten Literatur Bornhak Einseitige Abhängig- 
keitsverhältnisse unter den modernen Staaten; Rehm Staatslehre S. 71 ff.; 
Seidler Jur. Kriterium S. 99£f.
	        
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