Full text: Allgemeine Staatslehre

Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 139 
die Realunion auf Verfassungsgesetz eines oder beider Staaten 
basieren wollte, sie geradezu als verfassungsmäßige Vereinigüng 
mehrerer Staaten unter demselben Oberhaupt definiertet). Sie 
kann. in die Gesetze aufgenommen werden, ähnlich wie jeder 
Staatenvertrag durch Publikation von Staatswegen nach innen 
den Charakter eines Gesetzes erhält. Brie hat noch andere 
Entstehungsgründe der Realunion als Vereinbarung nachzuweisen 
gesucht, ohne geschichtliche Beispiele für sie anführen zu können). 
Solche Fälle liegen aber auch gänzlich außerhalb des Bereiches 
der politischen Möglichkeit und müßten überdies, wofern nur die 
also unierten Staaten gegeneinander selbständig sein sollen, ent- 
weder als Personalunion oder wiederum als auf Vereinbarung 
der betreffenden Staaten ruhend betrachtet werden. v.Juraschek 
will den Begriff der Realunion erweitern auf die Gemeinsamkeit 
anderer Staatselemente als der Herrscherpersönlichkeit, was aber 
nichts als ein Gebilde der Wirklichkeit abgewendeter scholastischer 
Konstruktion ist?). Zukunftsstaatsrecht sollte nur da getrieben 
werden, wo irgendeine Aussicht auf Verwirklichung der a priori 
gefundenen Formen vorhanden ist. Die Realunion aber ist von 
so eigenartigen, sich selten wiederholenden geschichtlichen Be- 
dingungen abhängig, daß sıe selbst in der Vergangenheit selten 
zu finden, in der neuesten Zeit nur durch wenige Repräsentanten, 
nunmehr, seit der Lösung der Union Norwegen-Schweden, nur 
in einem einzigen Falle vertreten ist und in der Zukunft, wenig- 
stens unter Staaten europäischer Gesittung, sich kaum von neuem 
verwirklichen dürfte. 
Die Mitglieder einer Realunion sind im lRechtsinne von- 
einander völlig unabhängig, ıhre Souveränetät wird durch die 
Vereinbarung zwischen ihnen nicht berührt. Es wird kein über den 
———— 
Union 1912 S.274; in den wesentlichen Punkten auch Blüthgen, 
Ztschr. £ Völkerrecht u. Bundesstaatsrecht I 1906 S. 254 £. 
1) Begründet von H.A.Zachariae, darüber vgl. Lehre von den 
Staatenverbindungen S. 197 ff. Nichts als eine Spielart dieser Auffassung 
ist Hatscheks Lehre vom Organisationsparallelismus: Jahrb. d. ö. R. IIf 
1909 S.28f. u. Allg. Staatsrecht III S.26ff. Vgl. gegen Hatschek auch 
Steinacker in der Österr. Rundschau XXIII 1910 S. 254. 
2) Brie in Grünhuts Zeitschrift XI S.137. Vgl. System der subj. 
öff. Rechte S. 305 N. 1. 
®) Vgl. Staatenverbindungen S.205 ff. Die v. Jurascheksche Lehre 
ist, abgesehen von der kurzen Bemerkung Gumplowiczs, Allgemeines 
Staaisrecht 3. Aufl. 1907 S. 260, ohne Einfluß auf die Literatur geblieben. 
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