Full text: Allgemeine Staatslehre

Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 157 
Unterschiede die Herstellung eines einheitlichen Staatswesens aus 
mehreren verhindert haben. Nicht zu verwechseln mit den echten 
Realunionen sind jene Fälle, in denen mehrere Staaten sich zum 
Einheitsstaate zusammenschließen unter Beibehaltung gesonderter 
Institutionen kraft einer gemeinsamen Verfassung. So beruht 
Großbritannien auf der Unionsakte von 1707, die scheinbar ein 
Vertrag zwischen England und Schottland, in Wahrheit aber ein 
englisches Gesetz ist. Großbritannien ist daher rechtlich trotzdem 
nichts als ein erweitertes England, da irgendein der Änderung 
durch Parlamentsakte entzogenes Recht Schottlands, dem auch 
keine selbständigen Organisationsbefugnisse zustehen, nicht vor- 
handen, und die Unionsakte sich rechtlich in nichts von anderen 
legislatorischen Willensäußerungen des englischen Staates unter- 
scheidet. Auch die vormals nicht seltene Zusammenfassung 
mehrerer bisher getrennter Territorien oder Staaten durch einen 
gemeinsamen absoluten oder nahezu absoluten Herrscher zu einer 
Einheit unter fortdauernder Anerkennung einer besonderen Or- 
ganısation der ehemals getrennten Teile gehört nicht hierher. 
Solange nämlich die Vorstellung vom Monarchen als Eigentümer 
des Staates herrscht, kann der Gedanke, daß der Monarch allein 
nicht befugt sein könne, die Selbständigkeit des Staates auf- 
zuheben, nicht durchgreifen. Daher führte die Personalunion 
häufig, ohne daß sich der Moment des Untergangs hätte genau 
feststellen lassen, direkt zum Einheitsstaate. Die Realunion setzt 
vielmehr zweierlei voraus: eine entwickelte Monarchie und eine 
starke ständische oder konstitutionelle Beschränkung in mindestens 
einem der unierten Staaten. Darum ist sie eine der neueren Zeit 
angehörige Bildung. Auf die Verhältnisse mittelalterlicher Terri- 
torien kann sie bei dem Unterschiede der Landeshoheit von einer 
Staatsgewalt, der bis zum westfälischen Frieden währt, nicht 
angewendet werden. 
Das erste Beispiel einer echten Realunion ist die zwischen 
den habsburgischen Ländern und speziell die zwischen Ungarn 
und den übrigen Ländern durch die pragmatische Sanktion 
begründete, die nach wechselvollen Schicksalen heute in Form 
der Verbindung der Länder der ungarischen Krone mit den 
österreichischen Königreichen und Ländern zur österreichisch- 
ungarischen Monarchie existiert!). Im vorigen Jahrhundert ist 
  
1) Vgl. darüber und über abweichende Ansichten die Lehre von 
den Staatenverbindungen S. 227ff., ferner Ulbrich Das österreichische
	        
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