714 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
nicht aber auch einem anderen Staate angehören können. Da
aber ein selbständiges Recht eines Staatsorgans, das nicht Recht
seines Staates wäre, nıcht vorhanden ist, so erhebt die Stellung
der Gliedstaatsorgane ım Bundesstaate die Gliedstaaten selbst
zu ÖOrganträgern des Bundes!).
Durch diese beiden Merkmale unterscheidet sich der :Bundes-
staat von der anderen Form staatsrechtlicher Staatenverbindung,
dem Staatenstaate. Hier bilden die .unterworfenen Staaten keine
innere Einheit mit dem Oberstaate, daher ihre Elemente nur
indirekt von dem Oberstaate beherrscht werden, dessen un-
mittelbare Herrschaftsobjekte nur die Regierungen der Unter-
staaten sind, wie anderseits auch jede Verbindung von Ünter-
und Oberstaatsorganisation gänzlich mangelt.
Der Bundesstaat ruht auf verfassungsmäßiger, nicht vertrags-
mäßiger Ordnung. Wenn er an Stelle von bisher staatsrechtlich
unverbundenen Staaten tritt, so gehen seiner Gründung Verträge
voran, die sich auf seine Verfassung beziehen. Anders, wenn
ein Einheitsstaat oder ein unterworfenes Land sich in Bundes-
staaten verwandeln, wie es mit den Vereinigten Staaten von
Venezuela, Mexiko, Argentinien, Brasilien der Fall war, wo die
Einzelstaaten erst auf Grund bundesverfassungsmäßiger Zulas-
sung sich organisieren konnten. An den letzteren Gebilden
scheitert jeder Versuch, sie im staatenbündischen Sinne zu inter-
pretieren, schon. an dem Widerspruche, in dem jede solche Aus-
legung mit der geschichtlichen Entwicklung solcher Staaten stünde.
Gehen der Gründung eines Bundesstaates Verträge unter ‘den
künftigen Bundesgliedern voran, so können diese niemals den
Rechtsgrund des Bundesstaates bilden. Denn welche Rechts-
ordnung knüpft an Vereinbarung unter Staaten die Wirkung
der Staatsgründung? Die eigene Rechtsordnung des zu gründen-
den Staates sicherlich nicht, ebensowenig aber die der grün-
denden. Staaten. Bayern z. B. konnte doch nicht nach baye-
rıschem Recht das Deutsche Reich gründen, Daß aber das
Völkerrecht aus Verträgen Staaten entstehen läßt, ist eine petitio
principii oder vielmehr die Behauptung eines naturrechtlichen
Satzes als eines dem positiven Völkerrechte angehörenden?).
1) Vgl. System der subj. öff. Rechte S. 300 ff.
2) Vgl. oben S.271ff. Der hervorragendste Vertreter der Vertrags-
theorie für die Entstehung des Norddeutschen Bundes ist G.Meyer,
Staatsr. S.175ff., daselbst S.181 die Anhänger seiner Lehre, In der