Full text: Allgemeine Staatslehre

776 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
von den Staaten in ihrer Eigenschäft als historisch-sozialer Mächte 
mit vollzogen. Die der Gründung des Bundesstaates vorangehenden 
Vereinbarungen der Staaten aber haben juristische Bedeutung, 
da sie die Bedingungen festsetzen, unter denen die künftigen 
Gliedstaaten in den zu bildenden Bundesstaat einzutreten sich 
gegenseitig verpflichten. Der Eintritt selbst wird: durch Unter- 
werfung unter den Bundesstaat vollzogen, durch welchen zugleich 
die vorbereitenden Vereinbarungen ihre Erfüllung finden. Des- 
halb sind die Vereinbarungen über die Gründung des Bundes- 
staates von der höchsten praktischen Bedeutung. Sie bezeugen, 
daß die Gliedstaaten gewillt sind, die Gründung des Bundesstaates 
zu fördern, ferner, daß die Gründungsvorgänge dem inneren 
Recht’ der Gliedstaaten nicht widersprechen. Damit erkennen 
die Staaten den Gründungsvorgang des Bundesstaates und den 
Bundesstaat selbst an. Das hat aber zur Folge, daß niemand 
vorhanden ist, dem ein Recht zustände, dem neuen Staatswesen 
die Anerkennung zu weigern. Es ist völkerrechtlicher Grundsatz, 
daß, wenn die durch eine staatliche Neubildung in ihren Rechten 
berührten Staaten den neuen Staat anerkennen, dritte Mächte 
zu dessen Anerkennung verpflichtet sind. Als die Schweiz daran 
  
und Gesetzesrecht 1910 (Schweiz. Pol. Jahrbuch) S.19ff.; G.Grosch 
im Arch.d.ö.R. 29.Bd. 1912 S.148, 181; W.Schoenborn Staaten- 
sukzessionen, Stier-Somlos Handbuch d. Völkerrechts II? 1913 S. 21. 
Grundsätzlich gleicher Ansıcht auch Hatschek, Jahrb.d.ö.R. Il 
S.29ff., u. Alig. Staatsrecht III S.45ff.,.der die Gründung des Nord- 
deutschen Bundes auf Konventionalregeln, d.ı. werdendes Recht, zurück- 
führt. Auch Laband (vgl. Staatsrecht des Deutschen Reiches, in 
Marquardsens Handbuch 1. Aufl. 1883 S.11) hat sich früher ganz auf 
diesen Standpunkt gestellt, sich nunmehr aber I S.35f. nicht mehr 
in voller Klarheit über die Frage geäußert, ob die Gründung des Nord- 
deutschen Bundes Rechtsakt war oder nicht. Die Berufung auf Kuntze 
scheint dafür zu sprechen, daß Laband jetzt die Gesamtaktstheorie 
angenommen habe. Ganz eigentümlich ist die Stellung, die Haenel 
zu dem Probleme der Entstehung des Bundesstaates einnimmt. Er 
polemisiert, Staatsr.1 S.35ff., eingehend gegen die Lehre, daß der 
Bundesstaat nicht juristisch aus einem Vertrage abgeleitet werden könne, 
und läßt S.31 den Bund als Tatbestand seine Verwirklichung dadurch 
finden, daß diejenigen, welche hierzu nach der vereinbarten Verfassung 
berufen waren, sich zu Organen des Bundes aufwarfen. Das ist aber 
doch nichts anderes als die Behauptung, daß die Entstehung des Bundes 
ein faktischer Vorgang war, um so mehr, als nach Haenel auch die 
Verfassung nur durch den Willen der tatsächlichen Organe Rechtskraft 
gewinnen konnte, wie S.32 ausgeführt wird.
	        
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