Full text: Allgemeine Staatslehre

Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 183 
das Deutsche Reich und die Vereinigten Staaten von Amerika, ist 
es sehr unwahrscheinlich, daß in absehbarer Zeit erhebliche 
rechtliche Einschränkungen der Staatensphäre erfolgen werden!). 
Der föderalistische Gedanke hält in ihnen dem unionistischen 
um so mehr die Wage, als eine weitergehende Stärkung der 
Bundesgewalt als die durch Ausbau der verfassungsmäßigen In- 
stitutionen des Bundes erfolgende von keiner politischen Partei 
ernstlich gefordert wird. Zudem bilden ın Deutschland schon die 
gemeinsamen Interessen der herrschenden Dynastien und die mit 
ihnen übereinstimmenden Neigungen des Volkes einen wirksamen 
Schutz vor zu weit gehender Zentralisation. Viel mehr als die 
Stärke des Reiches ist der Einfluß Preußens auf die anderen 
Staaten vermöge der politischen Machtverhältnisse im Wachsen 
begriffen. Dies liegt aber außerhalb der Rechtssphäre des Reiches 
und kommt keineswegs in einer in gleichem Maße fortschreitenden 
Ausdehnung der preußischen Rechte in der Organisation des 
Reiches zum Ausdruck. Für die nordamerikanische Union aber 
liegt der Einheitsstaat gänzlich außerhalb des Bereiches jeder 
geschichtlichen Möglichkeit, nicht nur wegen des ganzen Ent- 
wicklungsganges dieser Föderation, sondern auch vermöge ihres 
Umfanges und der Mannigfaltigkeit ihrer Glieder. 
Wie Einengung, so ist aber auch die weitestgehende Aus- 
dehnung der Gliedstaatssphäre durch Verfassungsänderung des 
Bundesstaates rechtlich möglich, wenn auch politisch nur inner- 
halb enger Grenzen wahrscheinlich, es sei denn, daß die ge- 
schichtlichen Verhältnisse zu einem Zerfalle des Bundes drängen. 
  
Betrachtet man die Staatenverbindungen politischer Art nach 
ihrer historisch-politischen Seite, so ergibt sich, daß ihre einzige 
gesunde und normale Form der Bundesstaat ist?). Völkerrecht- 
liche Staatenverbindungen sind mit dem unsicheren Wesen be- 
haftet, das allen völkerrechtlichen Vereinbarungen politischer 
Natur anhaftet. Staatenbünde sind nach außen und innen schwach, 
die politisch dauerhafteren Realunionen hingegen fortwährend 
inneren, auf Lösung des Bundes hinzielenden Streitigkeiten aus- 
  
!) Vgl. die Prognose bei Triepel, Unitarismus und Föderalismus 
1907 S.78ff.,, und ihre ausführliche Begründung S. St ff. 
2) Über die Wertschätzung des Bundesstaats neuerdings Tecklen- 
burg ım Hdbch.d.Politik I 1912 S. 167 £. 
G. Jellinek,, Allg. Staatslehre. 3. Aufl. 50
	        
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