Drittes Kapitel. Die Geschichte der Staatslehre. 59
gegenüber der Politik wird schon von Hugo Grotius stark
betont!). Trotzdem finden unter den folgenden Naturrechtslehrern
wiederum Vermischungen des Juristischen mit dem Politischen
statt, was wohl begreiflich ıst, da die hervorragendsten und ein-
flußreichsten Schriftsteller an der Gestaltung der politischen Ver-
hältnisse lebhaft interessiert sind und ihre Untersuchungen in
erster Linie theoretische Fundierung ihrer praktischen Ziele be-
zwecken. Bei Hobbes und Locke, bei Spinoza und Pufen-
dorf, wie später bei Rousseau und Kant tritt dies Bestreben,
den Normalstaat zu zeichnen als Zweck der theoretischen Unter-
suchung, jedem Leser deutlich hervor. Überall erscheint aber der
Staat als eine durch das Recht begründete und fortwährend auf
einem Rechtsgrunde — dem Staatsvertrage — ruhende Institution.
Es waren Männer, die weniger im Vordergrunde der geistigen
Bewegung standen und die Anregungen jener hervorragenden
Geister mehr in schulgerechter Weise auszubilden bestrebt waren,
die, in Loslösung von der Politik, eine Disziplin des all-
gemeinen Staatsrechtes schufen. Nachdem bereits Lipsius?)'
die Politik unabhängig vom Staatsrechte abgehandelt hatte, unter:
nahm es der Holländer Ulrich Huber in seinem Buche über
den Staat, die nova disciplina iuris publici universalis in strenger
Scheidung von der Politik darzustellen®). Huber ist somit der
Schöpfer nicht der Lehre, aber der Bezeichnung des allgemeinen
Staatsrechtes, das nunmehr oft Bearbeitungen findet. Gegründet
wird diese Disziplin auf das Naturrecht und die historische Er-
fahrung. Sie steht daher der Wirklichkeit näher als die privat-
rechtliche Naturrechtslehre, die allerdings keinen Aristoteles als
Vorbild ihrer Methode aufzuweisen hatte. Die umfassenden Systeme
des Naturrechts seit Pufendorf?) aber widmen dem allgemeinen
Staatsrechte besondere Bücher oder Abschnitte.
1) De iure bellı et pacis. Proleg. 8 57.
2) Politicorum sive civilis doctrinae libri VI, 1590.
3) De iure civitatis libri tres novam iuris publici universalis disci-
plinam continentes, ed. quarta 1708 (ed. princeps 1672). Über den Gegen-
satz von allgemeinem Staatsrecht und Politik LI sect. I 1 814.
*%) Pufendorf handelt von ihm De jure naturae et gentium
librı VIII ın den beiden letzten Büchern, noch ohne besondere Be-
zeichnung für diesen Teil des Naturrechts. In Deutschland scheint
zuerst J.H.Böhmer, Introductio in ius publicum universale ex genuinis
iuris naturae principiis 1710, die Bezeichnung „allgemeines Staatsrecht“
populär gemacht zu haben.