Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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hin, die sich zuweilen um die. ganze Stube herum fortsetzt. Darauf 
legte man sich des Nachts oft schlafen. 
Weiter nach hinten, in der rechten hinteren Ecke, steht ein zweiter 
kleinerer Tisch, der nur selten benutzt wird, höchstens wenn Besuch kommt 
und der Bauer zur Kirche geht, weil er sich dann den anzulegenden 
„Sunntigsstoot“ auf diesem Tische zurecht legen läßt, wie er ihn hier 
auch wieder niederlegt, bevor er in den Schrank kommt. Hier wird zu 
Weihnachten der Christbaum aufgestellt, werden an Geburtstagen die 
Geschenke um den Jahresring herum angeordnet u. a. Einst diente 
dieser Tisch, vereinzelt auch jetzt noch, den ins Haus kommenden Schneidern 
als Arbeitsstätte. Zuweilen steht hinter ihm ein Lederkanapee, wie auch 
der „Seeger“ hier seinen Platz hat. Der Wohnstubentür gegenüber 
hängt an der Giebelwand der schräg angebrachte Spiegel, hinter dem 
die Rute, das „Birkengottfriedel“ neugierig hervorlugt und zur Zeit 
der Ernte die größten auf dem eigenen Felde gefundenen Ahren zur 
Schau gestellt werden. An den Spiegel oder in die Fugen der Holz- 
bohlen daneben steckt man mit Vorliebe die Gevatterbriefe, um allen die 
zuteilgewordene Ehre zu künden. Unter dem Spiegel steht manchmal eine 
Komode oder ein einfaches Pult. Gewöhnlich aber zieht sich an der Giebel- 
wand nur die feststehende Bank hin. Reicher ausgestattet ist die linke 
Seitenwand. An ihr hängt zunächst hinten das „Zibratt“, einst 
der größte Schmuck der Stube. Denn hier standen neben allerhand 
Gefäßen aus Porzellan und Ton die wie Silber glänzenden Zinnsachen, 
die jetzt fast ganz verschwunden sind, weil sie teils zum Zinngießer ge- 
wandert, teils von Sammlern geholt worden sind. Neben dem Zinnbrett 
ist der Eingang zur Stubenkammer, dem „Stüwel“ oder „Stöwel“, 
und weiter nach vorn steht, freilich nur noch vereinzelt der unförmige 
Gabelofen, dessen eiserner Kasten von ungefähr 1½ m Länge, ½ m 
Breite und 60 cm Höhe einen aus bräunlichen tiefen oder flachen Kacheln 
errichteten Aufsatz trägt. Die Bodenplatte des Kastens liegt mit der 
einen Schmalseite auf der Mauer auf, während die andere auf zwei 
eisernen Stützen ruht, die sich in den Mitten der beiden Langseiten 
wiederholen, wenn an dieser Stelle nicht ein gemauerter Unterzug vor- 
handen ist. Der Raum unter dem Ofen diente und dient noch zur 
Aufzucht junger Tiere und zur Trockenstellung nassen Schuhwerks und 
feuchten Holzes. Uber dem Ofen sind an der Decke Stangen befestigt, 
die sogenannte „Wäschetreiche“. Die Heizung des Ofens kann nur von 
der Küche aus erfolgen, und die Töpfe können nur mit der Ofengabel 
gerückt werden. Die aufsteigende Wärme, wie auch der Rauch werden 
durch verschiedene Züge des Aufbaues geleitet und entweichen zuletzt aus 
dem in der Küche befindlichen Ofenloche in den darüber angebrachten 
Esseneingang, über dem ein Rauchfang angebracht ist. Zwischen dem 
Ofen und der Vorderwand war das begehrteste Plätzchen im ganzen 
Hause, die behagliche Hölle. Nichtsdestoweniger aber rechtfertigt sich 
der Wunsch jener Frau, die in ihrem Schmerze um den Verlust ihres 
Mannes ausrief: „Dar liewe Gott beschar när men Alten de Höll, 
ar soß ju bei Labzeiten su garn drinn!“ Auf der Ofenbank lag der
	        
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