Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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(Gey.), schlägt die Turmuhr ins Vaterunser der Leichenpredigt, so gibts 
im Dorfe eine „große"“ Leiche (M., Nd. 302“). Geht der Leichenzug 
durch eine Gesellschaft hindurch, so sterben mehrere Glieder derselben 
in kurzer Zeit (A.). Bleiben die Träger mit einer Leiche vor einem 
Hause stehen, so holen sie aus diesem den nächsten Toten (Zö. 2977). 
Schlägt bei einem Begräbnis die große Glocke nach, so stirbt eine hoch- 
gestellte und in höheren Jahren stehende Person, klingt die mittlere 
zuletzt, eine Person in mittleren Jahren, und ist es die kleine, so stirbt 
ein Kind oder ein Arbeiter (H., Mau. 302°) und zwar binnen drei Tagen 
(Schl., Wo.). Stirbt eine Wöchnerin am Neujahrstage, so ist das ein 
schlechtes Vorzeichen für alle Frauen, die im Laufe des Jahres ihrer 
schweren Stunde entgegengehen (A. 300“). Schlägt es während des 
Vaterunsers im Gottesdienste an (Wo. 302), klappt ein Sitzbrett während 
der Mettenpredigt zu, so steht im Dorfe ein Todesfall nahe bevor (M. 303). 
Das kündet dem Tischler ein eigenartiges Knacken im Holze (Gey 297)), 
dem Totengräber das Aneinanderklingen der Spaten und Hacken oder ein 
eigenartiges Schaufeln auf dem Friedhofe (Kö. 299“"). Nimmt der Toten- 
gräber beim Zumachen eines Grabes die Schaufel zuerst in die Hand, 
so ist die nächste Leiche eine männliche (B. 2997), ebenso, wenn einem 
Leichenzug zuerst eine männliche Person entgegenkommt (Schl. 298). 
Werden die Lippen eines Selbstmörders oder eines Verunglückten blau, 
so haben im Orte noch zwei dasselbe Ende (O.. 
2. Die Erforschung zukünftiger Todesfälle. 
Auf Grund des Glaubens, dem Menschen sei seine Todesstunde 
schon im voraus bestimmt, sucht man zukünftige Todesfälle voraus zu 
erfahren, sei es der eigne Tod, sei es die Einkehr des Todes in die 
Familie oder Gemeinde. Der Tod gilt einer Person als gewiß, deren 
vermittelst eines umgestülpten Fingerhutes am Silvesterabend geformtes 
Salzhäufchen am nächsten Morgen eingefallen erscheint (Di., Ob., J., 
Wo. 330), deren in der Mitternachtsstunde desselben Tages angezündetes 
Räucherkerzchen zuerst niedergebrannt ist (A., Mtt.), die in der Neujahrs- 
nacht beim Aufschlagen des Gesangbuches ein Sterbelied findet (Gey., 
Ehr.); ein Adventslied bringt Familienzuwachs. Welches Familienglied 
am Ehristabend oder am Silvester eine taube Nuß öffnet, geht den 
anderen im Tode voraus (Mtt., W. 336). Wessen Lichtchen — die 
Glieder einer Familie zünden am heiligen Abend je eins an — zuerst 
niedergebrannt ist, stirbt zuerst (Mtt., A., Ma. 336). Dieses Lichtorakel 
beruht auf der altdeutschen Vorstellung, daß bei der Geburt eines jeden 
Menschen von den Nornen, den Schicksalsgöttinnen, eine Kerze angezündet 
wird, deren Auslöschen das Erlöschen des Lebens nach sich zieht. Sagen 
wir doch heute noch, wenn auch mit einem scherzhaften Anflug, von einem 
Menschen, der gestorben ist, das ihm das Lebenslicht ausgeblasen worden 
ist. Dem Lichtorakel ähnlich ist der Brauch, am Johannistage Johannis- 
kraut zu stecken; wessen Pflanze verdorrt, stirbt zuerst (M.). In Di. 
steckten am Johannistage die Glieder einer Familie je einen Zweig fette 
Henne zwischen die Balken der Decke; die zuerst verwelkende Pflanze ließ
	        
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