Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Bleibt das Fenster geschlossen, so zerspringt eine Scheibe (Wo., W.). 
Man verrichtet nur die notwendigste Arbeit (730), hält die Uhr an 
(Ehr., He., Mau. 723), löscht das Feuer im Stubenofen (A. 6097), 
sperrt das Röhrwasser ab (GEd.). Alles dies zum Zeichen der Trauer 
über ein zum Stillstand gebrachtes Leben. Damit die Seele nirgends 
hängen bleibe oder aus Liebe zu werten Dingen nochmals raste, werden 
der Spiegel. — das Sichspiegeln des Toten „verdoppelt den Sarg“ oder 
ruft den Tod in die Verwandtschaft (A. 729), — Bilder und glänzende 
Gegenstände mit weißen (He., Gey. 726) oder schwarzen Tüchern verhängt 
(Cr., Ehr., B., Kl.), Töpfe, Kannen und vor allem das Waschbecken 
umgestürzt (Kl. 725“). Der Stuhl, auf dem der Tote bei Lebzeiten gern 
saß, wird umgelegt (Ni., Cra., Kö.), das Sterbebett gewaschen und aus- 
einandergenommen (Ar.), der Name im Familienbuch gestrichen (B.), 
das Monogramm aus den hinterlassenen Wäschestücken geschnitten (Nd., 
A.). Es ist ein sonderbares Gemisch von Mystik, Liebe zu dem Toten 
und doch auch Selbstfürsorge der Hinterbliebenen, die dem Glauben 
entspringt, daß die Seele sich an alles klammern und mit sich in die 
Ewigkeit reißen kann, was ihr vertraut ist. Weiter drückt man dem 
Toten die Augen zu, damit er nicht auf einen Begleiter warte 
(Ort., Pf. 725, 298), und schließt ihm den Mund; denn fällt etwas 
hinein, so holt er die ganze Familie nach (A. 724). Der Tote holt den 
nach, den er besonders lieb hatte (Br.). Lautes Wehklagen und 
Jammern der Lebenden über den Toten läßt diesen im Grabe nicht zur 
Ruhe kommen, ruft ihn zurück auf die Erde und zieht die Uberlebenden 
nach in die Gruft. Jede Träne, die auf den Toten fällt, beunruhigt 
ihn (v. 728). „Je mehr man um den Toten weint, desto mehr Wasser 
muß er schöpfen“ (A.). Nach der Edda fällt jede Träne blutig auf 
die kalte angstbeklommene Brust. Dieser Glaube erscheint auch im zweiten 
Helgelied, in dem dänischen Volksliede vom „Ritter Aage und der 
Jungfrau Else“ und in dem deutschen Volksliede „Die Macht der 
Tränen“, dessen Schlußstrophe heißt: „Habt ihr zu weinen aufgehört. — 
Vergessen eure Schmerzen, — So find' ich Ruh' in dieser Erd’', — 
Das freute mich von Herzen.“ Hierher gehört auch die sinnige und gemüt- 
volle thüringische Sage von dem wiederkehrenden Kinde mit dem Tränen- 
krüglein, und denselben Gegenstand behandelt das Gedicht von Chamisso: 
„Die Mutter und das Kind."“ 
Das Todansagen. (Vgl. M. 269 ff.) Die Selbstfürsorge der 
Hinterbliebenen erstreckt sich auch auf die Haustiere. Sobald der Haus- 
herr oder die Hausfrau gestorben ist, werden schlafende Wesen im Hause 
aufgeweckt und aufgejagt, weil es sonst ein Todesschlaf sein würde (v. 726). 
Offenbar fürchtet man ein Ubergreifen des Todes auf alle Wesen und 
Dinge im Hause, daher hält man sie gleichsam in Atem. Mit den 
Worten: „Euer Herr ist tot, ich bin der neue Herr!“ (7275) meldet der, 
dem künftig die Leitung der Wirtschaft obliegt, den einzelnen Bienen- 
stöcken den Tod seines Vorgängers. Tut er's nicht, so gehen die Bienen 
ein (Po.), wie sie auch nur da gedeihen, wo Friede und Eintracht im 
Hause herrscht. (M., B. 727"). Außer den Bienen erhalten vor allem
	        
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