Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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verschiedene, aber bald größere, bald kleinere Gestalt gibt. Überaus 
zahlreich sind im Erzgebirge die Sagen von Berggeistern, von denen 
man sich die wunderlichsten Dinge erzählt, der uralte Erzbergbau mit 
seinen unheimlichen Schächten und den Gefahren der Tiefe ward zu 
einer reichen Sagenquelle. Ich gebe nur zwei. In einem Haspelschachte 
haspelten einige Haspelknechte (J Arbeiter) recht flott, und der nicht so 
intelligente Anschläger konnte bis zum Aufholen des Kübels immer 
nicht zeitig genug fertig werden. Seinen Arbeitsgenossen dauerte es 
viel zu lange, bis er den Kübel vollgefüllt hatte und das Zeichen zum 
Aufholen gab. Die Haspelknechte quälten den Anschläger schneller zu 
arbeiten, was jedoch der arme Mensch nicht bewerkstelligen konnte, trotz- 
dem er sich alle mögliche Mühe gab. Infolge der fortgesetzten Peinigung 
weinte der Anschläger oft und nie war sein Gesicht heiter. Eines Tages, 
als er ebenfalls weinte, weil er seine Peiniger nicht zufriedenstellen 
konnte, hörte er ein Getrapple und meinte, es komme sein Vorgesetzter. 
Als er aber ein Glückauf! hörte und den Mann, der mit grauem 
Kittel und spitzer Mütze bekleidet war und eine gelbe helle Blende an- 
hängen hatte, näher betrachtete, fiel ihm sein kleines Wesen auf und 
meinte, einen Berggeist vor sich zu haben, der ihn fragte, warum er 
weine. Der Knappe erzählte nun, daß er seinen Kameraden nichts 
recht und schnell genug machen könne und es ihm infolgedessen sehr 
schlecht ergehe. Da sagte der Berggeist zu ihm: „Ich will dir helfen, 
du mußt mir aber jeden Tag ein Pfenniglicht geben und strengste Ver- 
schwiegenheit beobachten.“ Das tat der Knappe. Die Arbeit ging dar- 
auf so rüstig fort, daß sich seine Genossen darob sehr verwunderten; 
denn sie konnten jetzt nicht mehr schnell genug haspeln. Fragten sie, 
wie es komme, daß er auf einmal so laut anschlage, so machte er ein 
heiteres Gesicht, aber von seinem Helfer verriet er nichts. Ein Lohntag 
jedoch sollte für ihn verhängnisvoll werden. Seine Kameraden machten 
ihn betrunken und drangen in ihn, woher es komme, daß er auf einmal 
seine Arbeit so befördere. Er hatte die Mahnung des Berggeistes ver- 
gessen und verriet diesen seinen Arbeitsgenossen. Am anderen Morgen 
fuhr er deshalb mit Zittern und Zagen an, und als er den ersten 
Kübel füllen wollte, erschien der Berggeist zwar wieder, aber er half 
nicht mehr wie bisher, sondern drückte ihn in den Kübel, steckte alle 
Lichter darum und gab das Zeichen zum Aufholen. Als die Kameraden ihn 
aufgeholt, hatten sie einen grauenvollen Anblick — ihr Kollege war tot (O.). 
An der Olsnitz-Hohendorfer Grenze hatten einige Unternehmer 
einen Schacht teufen wollen, um Kohlen zu suchen. In der Meinung, 
bei einigen Metern Tiefe Kohlen zu finden, zimmerten sie diesen mit 
Reisig aus. Da sie sich jedoch bald in ihren Erwartungen getäuscht 
sahen, nahmen sie Abstand von ihrem Unternehmen. Der Schacht er- 
hielt deshalb den Namen „Narrenschacht.“ Die Unternehmer waren 
Narren, weil sie glaubten, Kohlen gleich unter der Rasensohle zu finden; 
denn nach Anlage eines regelrechten Bergbaues hat sich herausgestellt, 
daß die Kohlenflöze in der Olsnitzer Gegend ca. 700—900 m tief 
unter der Tagesoberfläche liegen. Wenn nun ein anderer Schacht
	        
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