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gegraben wurde, so mußten erst die Geister dieses Narrenschachtes kommen
und den Schacht besehen, ob er tief genug sei. Deshalb ließ man den
Schacht am dritten Tage offen, damit die Geister hineinsehen konnten.
Fanden sie ihn tief genug, so legten sie ein Holzscheit quer über das
Loch, und wenn es noch tiefer sein mußte, so steckten sie es in die Erde.
(Uber den Glauben an Geister vgl. auch Lehmann, Abergl. und
Zauberei, S. 492 ff.)
Mit dem Seelenglauben steht der Hexenglaube in Verbindung,
der durchaus noch nicht geschwunden ist, wie das zur Genüge auch die
zahlreichen modernen Hexenprozesse beweisen, mit denen sich die Gerichte
jahraus, jahrein zu beschäftigen haben. „Zu jeder Zeit hat das Volk
von den Hexen eine doppelte Auffassung gehabt. Einerseits sah man in
diesen Wesen lebende Frauen, die während des Schlafes ihre Seele
umherschweifen ließen und den Mitmenschen schadeten, andererseits Geister
Verstorbener, die namentlich zu bestimmten Zeiten in der Luft ihr
Wesen trieben“ (Mo., 302). Wenn es auch nun besonders die letzteren
sind, die im Aberglauben fortleben, wie die vielen Schutzmittel gegen
sie in Haus, Hof und Stall und all die Abwehrmittel bei besonderen
Anlässen beweisen, so hat man doch auch lebende Frauen noch in vielen
Orten in dem Verdachte, daß sie Hexen seien, denen man deshalb auch
sorgsam aus dem Wege geht, da jede Berührung durch ihre Hand
Krankheit, sogar Tod bringt. Gleich allen anderen seelischen Wesen
besitzen auch die Hexen Proteusnatur, da sie die Gestalt eines Hasen,
einer Kröte und anderer Tiere annehmen können. Am Michaelistage
kommen sie auf Kreuzwegen zusammen. Hier stehende Brennesseln geben
Kunde von ihren Zusammenkünften (Nd.). Deshalb spuckt man beim
Uberschreiten eines solchen dreimal aus, um glücklich zu gehen (Ne.),
soll man auf Kreuzwegen liegende Gegenstände nicht aufheben, „es hat
etwas damit.“ So erzählt man: Ein Mann hatte auf einem Kreuzwege
eine Brieftasche gefunden und behalten. Als er einige Tage später wieder
an dieselbe Stelle kam, ereilte ihn der Tod (Cr.). Von jenen Frauen aber,
die als Hexen gelten, weiß man sich die wunderlichsten Geschichten zu
erzählen. Bis vor kurzer Zeit kam zu einem Bauer in T. allwöchent-
lich eine alte Frau, die allgemein als Hexe galt. Solange sie im
Bauernhofe ein= und ausging, gab eine Kuh nur Blut, und nicht selten
starb ein Tier. Als alle dagegen angewandten Mittel vergeblich ge-
wesen waren, befrug der Bauer einen „klugen Mann“, der den Rat gab,
den Düngerhaufen umzugraben; denn darunter befinde sich eine schwarze
Henne, die sofort getötet werden müsse. Gesagt, getan. Nach dem
Tode des Tieres kam dem Bauer die Kunde, daß die bei ihm ein= und
ausgehende Frau ein Bein gebrochen habe. .
In eine Wirtschaft in Ge. kam eine alte Frau, die als Hexe galt,
und streichelte das Haar der Kinder, was einen blutigen Ausschlag zur
Folge hatte. Der kluge Mann, der nach vieler Meinung gegen alles
ittel hat, gab die Auskunft, daß die Frau, die am Freitag früh 6 Uhr
Milch holen komme, die Kinder behext habe. Es kam dieselbe Frau.
Sie fand das Haus verschlossen.