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Zwölf Nächten zweifellos in Erfüllung gehen, und zwar gehen die Nächte
mit ihren Träumen den zwölf Monaten parallel (N., He., A. 174).
Träumt man vor Mitternacht, so geht der Traum zu Anfang des Monats,
wenn nach Mitternacht, so am Ende des Monats in Erfüllung (Ne.,
W.). Die Witterung jedes einzelnen Tages ist bedeutungsvoll für jeden
einzelnen der kommenden zwölf Monate; die Zwölf Nächte spiegeln gleich-
sam das Miniaturbild des künftigen Jahres (v.). „Wie sich das Wetter
vom Christtag bis h. Dreikönig erhält, so ist das ganze Jahr bestellt"“
(He.). In Bauernhäusern sah man einst über allen Türen den so-
genannten „Wetterkalender“, zwölf Kreise, worin durch verschiedene
Schraffierung mit Kreide die Witterung der Zwölf Nächte gekennzeichnet
wurde. Besondere Bedeutung hat der Sonnenschein an diesen zwölf
Lostagen. Sonnenschein am 1. Lostag bedeutet ein gutes Jahr, am
2. Teuerung, am 3. Uneinigkeit und Zank unter den Völkern, am 4.
Kinderkrankheiten, am 5. eine reiche Obsternte, am 6. Uberfluß an Baum-
früchten, am 7. Uberschwemmung und gute Viehweide, am 8. Seuchen,
viel Fische und wilde Vögel, am 9. den Kaufleuten gute Geschäfte, am
10. schwere und zahlreiche Gewitter, am 11. Nebel und Krankheiten,
am 12. Krieg und Blutvergießen (A.). Sturm in den Internächten
weist auf Krieg und Feuer hin (Ar.), Regen vermehrt den Milchertrag
der Kühe (Cr.). Eisblumen an den Fenstern verkünden ein fruchtbares
Jahr (Ho.). Je länger die Eiszapfen, desto länger der Flachs (M.).
Soviel Knöpfe während der Zwölf Nächte an einem Kleidungsstück
fehlen, soviel Geldstücke werden einem in der Folgezeit gestohlen (Schw.).
Wie einst die Tage eine heilige Zeit waren, so verrichtet man auch
heute noch während der Zwölften vielfach nur die allernotwendigste Arbeit.
Im Grunde will man mit der Einstellung aller nicht unbedingt erforder-
lichen Arbeit die Festruhe geheiligt wissen. Krankheit und Mangel ziehen
ein, wenn innerhalb der Zwölf Nächte gewaschen und gebacken (74), vor
allem aber Dünger gefahren wird (v.). Im Freien getrocknete Wäsche,
besonders Bettwäsche, bringt Siechtum oder schnellen Tod (A., Schl.,
Gey.). Man klöppelt nicht, weil die Spitzen schmutzig werden (Br. 74).
Abends wird weithin überhaupt nicht gearbeitet (Schl.). Schmiert der
Landmann seine Stiefel, so kommt ein Sterben unter sein Vieh (Ne. 74 ).
Wer während dieser Zeit frühmorgens pfeift, hat Unglück zu erwarten
(B.). In dieser Zeit verschnittene Fingernägel bewirken böse Finger
(He., Ge., Th., Di.), verschnittene Haare Kopfschmerzen (He., Th., Ge.).
Wer sich in den Internächten auf den Tisch setzt, bekommt Schwären (Or.).
Während der Zwölf Nächte, aber auch zu jeder anderen Zeit, wenn
es dunkelt und in der Luft hoch oben pfeift und singt, zieht das wilde
Heer einher und zerreißt den, der sich bei seinem Nahen nicht schnell
zur Erde wirft (Ri.). Die durch ganz Deutschland bezeugten, freilich
immer mehr und mehr verschwindenden Sagen vom wilden Heer oder
wilden Jäger sind nicht Uberreste alter Wodansmythen (vgl. Wuttke,
16 ff.). „Nicht die Wurzel unserer Sagen vom wilden Jäger sind
die alten Wodansmythen, sondern es sind nur Parallelmythen: aus
gleicher Wurzel, nämlich aus dem Glauben an das Fortleben der