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das in die Erde gegraben, in das Strohband gesteckt oder in den Stamm
geschlagen wird (H., Mau., Ra., Schl., Kl. 75). Dabei sagt man:
„Gott segne deine Frucht, wachse immer fort!“ oder: „Hier, Baum, hast
du was, gib mir wieder was!“ Vor dem Beschenken oder an Stelle
desselben werden die Bäume auch nur geschüttelt mit den Worten:
„Bäumlein, ich rüttle dich, Bäumlein, ich schüttle dich, bring mir viel
Obst“ (Ehr.). Wer keine Bäume hat, beschenkt die Blumenstöcke im
Zimmer mit einem Pfennig oder einer Nadel (A).
In all dieser Fürsorge steckt noch ein Rest altgermanischen Glaubens
an die Baumseelen. Gleich allen anderen Geschöpfen waren auch die
Pflanzen unseren heidnischen Vorfahren fühlende Lebewesen. Der Ge-
danke einer Beseelung der Pflanzenwelt hängt ja eng mit der Beobachtung
ihres äußeren Wachstums zusammen.
Damit der Wasserstand im Brunnen nicht sinke, wirft man Geld
hinein (Gd.). Alles Wasser verwandelt sich in der Mitternachtsstunde der
Christnacht in Wein.
„Zun Heiling O'md im Mitternacht,
Do läft statt Wasser Wei.
Wenn iech mich när net färchten tät,
Ich hult en Tupp vull rei!“ (Seite 158).
Unter Beobachtung tiefsten Schweigens holt man während dieser
Zeit davon; wer aber beim Schöpfen auf die Worte des Geistes: „Das
Wasser ist mein und du bist mein!“ antwortet, ist innerhalb des
nächsten Jahres tot (Gey.).
Der erste Weihnachtsfeiertag.
In den ersten Frühstunden dieses Tages (H., Cr., Schl., Br., Gey.,
IJ., Lö., Bä., Zwö., Ob., Th.) oder auch am Abend vorher (W., Ehr.,
O., A., Zö.) finden die Christmetten statt, ohne deren Besuch der
echte Erzgebirger das Christfest sich nicht denken kann, mag das Gehöft
noch so fern liegen, das Wetter noch so kalt und stürmisch sein. Im
allgemeinen nehmen die Metten folgenden Verlauf. Nachdem die Glocken
um fünf oder sechs die erwartungsvollen Herzen zusammengerufen
haben, der Jubelgesang der Orgel verklungen ist und die Gemeinde
einen Weihnachtschoral gesungen hat, verliest der Geistliche das Weih-
nachtsevangelium, das an geeigneten Stellen durch den Gesang eines
Weihnachtsliedes oder -chorales unterbrochen wird und auch mit einem
solchen schließt. An die nun folgende Ansprache des Geistlichen schließen
sich mancherorten die Weissagungen an, die aber ebenso oft auch vor-
angehen, und mit Segen, Gebet und dem Gesange eines Weihnachts-
chorales oder -lliedes — in Schn. gern mit der Schlußstrophe von
„Stille Nacht, heilige Nacht“ — schließt die Feier. Die Weissagungen
werden gewöhnlich von einem Knaben oder einem Mädchen oder auch
von mehreren Knaben und Mädchen gesungen, die sich in manchen Orten
dazu festlich schmücken. So tragen in Br. die Knaben übergezogene
weiße Hemden mit roten Schärpen um den Leib und von der linken
Schulter zur rechten Seite nebst roten Schleifen auf den Achseln. Den