— 203 —
beim Pfingstquartal wird die Brüderschaftslade im festlichen Zuge in
die Wohnung des neuen Ladenvaters gebracht. — Der Bergbau kam
in J. vor etwa 40 Jahren gänzlich zum Erliegen.
Bis zum Jahre 1889 hielten in A. die Posamentiergesellen am
dritten Pfingstfeiertag Nachmittag einen solennen Umzug mit Musik,
der in früherer Zeit mit Trompetenfanfaren, die vom Turme geblasen
wurden, abwechselte. Den Zug eröffneten zwei Harlekine in aus lauter
bunten Tuchflecken zusammengestückten Anzügen, dazu spitzen Hüten, unter
denen bemalte Gesichter schmunzelten, in der Hand die Peitsche. Dann
folgten die übrigen Gesellen, die die Insignien des Posamentierhandwerks
und hohe zinnerne Trinkkannen trugen. So bewegte sich der Zug durch
die Stadt nach der Herberge. Vor derselben bestieg einer der Harlekine
einen hölzernen Stuhl und brachte eine Anzahl Gesundheiten aus.
Hierauf zog man in die Herberge ein und verbrachte diesen und den
folgenden Tag unter Tanz und anderen, namentlich in Verkleidungen
bestehenden Belustigungen. — Im Anschluß an diese Beschreibung erwähnt
Spieß (653) das Deponieren.!? Sämtliche im Laufe eines Jahres zu
Gesellen gewordenen Lehrlinge mußten sich an einem bestimmten Tage
auf der Herberge einfinden, woselbst schon die früheren Gesellen ver-
einigt waren. Jeder Novize mußte sich auf einen Stuhl setzen. Zuerst
bekam er von dem Altgesellen eine Ohrfeige. Dann trat ein anderer
Geselle, der als Zimmermann gekleidet war, vor und bearbeitete den
Neuling mit einer hölzernen Axt, um, wie man sagte, die anhängenden
Späne abzuhauen. Ein anderer seifte ihn hierauf ein und barbierte
ihn mit einem hölzernen Messer, es folgten dann noch gegen zehn
solcher Manipulationen, die sämtlich mit bezüglichen, dazu gesprochenen
stehenden Versen begleitet waren. Hatte der arme Bursche alles geduldig
über sich ergehen lassen, so galt er als richtiger Geselle. Den Abend
beschloß ein fröhliches Trinkgelag.
Als die jüngste der Pfingstsitten darf man wohl das seit einigen Jahr-
zehnten in großem Umfange üblich gewordene Reisen nennen.
Während der zweiten Woche nach Pfingsten, der Woche nach dem
Trinitatissonntage, wird in Annaberg ein großes Volksfest, die Kät.
abgehalten, dessen Ursprung in dem mit der katholischen Feier des Tri-
nitatisfestes verbunden gewesenen Jahrmarktstreiben zu suchen ist. Ob-
wohl schon 1539, nach Georg des Bärtigen Tode, in Annaberg Luthers
Lehre eingeführt wurde und somit die alljährlich am Trinitatistage
stattfindenden, mit Hochamt und Ausspendung von Ablaß verbundenen
Wallfahrten nach dem Annaberger Friedhofe, der 1519 zu einem heiligen
Felde geweiht worden war, aufhörten, so blieb doch das Jahrmarktstreiben
an genanntem Tage bestehen und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu
1) Die älteste vorhandene Zunftschrift der Annaberger Posamentier-Innung
stammt aus dem Jahre 1607. Es besteht jedoch kein Zweifel darüber, daß die
Innung viel älter ist. 2) Alter und Deutung des Namens „Kät“ sind noch nicht
bestimmt festgestellt. Nach der einen Meinung ist er die mundartliche Verstümmelung
von Gaudium oder des Namens Dreifaltigkeit (Dreifaltigkät), nach anderer Auf-
fassung aber Kät —= Katharinenfest, bez. wo jede Käth hinläuft und sich vergnügt.