Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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beim Pfingstquartal wird die Brüderschaftslade im festlichen Zuge in 
die Wohnung des neuen Ladenvaters gebracht. — Der Bergbau kam 
in J. vor etwa 40 Jahren gänzlich zum Erliegen. 
Bis zum Jahre 1889 hielten in A. die Posamentiergesellen am 
dritten Pfingstfeiertag Nachmittag einen solennen Umzug mit Musik, 
der in früherer Zeit mit Trompetenfanfaren, die vom Turme geblasen 
wurden, abwechselte. Den Zug eröffneten zwei Harlekine in aus lauter 
bunten Tuchflecken zusammengestückten Anzügen, dazu spitzen Hüten, unter 
denen bemalte Gesichter schmunzelten, in der Hand die Peitsche. Dann 
folgten die übrigen Gesellen, die die Insignien des Posamentierhandwerks 
und hohe zinnerne Trinkkannen trugen. So bewegte sich der Zug durch 
die Stadt nach der Herberge. Vor derselben bestieg einer der Harlekine 
einen hölzernen Stuhl und brachte eine Anzahl Gesundheiten aus. 
Hierauf zog man in die Herberge ein und verbrachte diesen und den 
folgenden Tag unter Tanz und anderen, namentlich in Verkleidungen 
bestehenden Belustigungen. — Im Anschluß an diese Beschreibung erwähnt 
Spieß (653) das Deponieren.!? Sämtliche im Laufe eines Jahres zu 
Gesellen gewordenen Lehrlinge mußten sich an einem bestimmten Tage 
auf der Herberge einfinden, woselbst schon die früheren Gesellen ver- 
einigt waren. Jeder Novize mußte sich auf einen Stuhl setzen. Zuerst 
bekam er von dem Altgesellen eine Ohrfeige. Dann trat ein anderer 
Geselle, der als Zimmermann gekleidet war, vor und bearbeitete den 
Neuling mit einer hölzernen Axt, um, wie man sagte, die anhängenden 
Späne abzuhauen. Ein anderer seifte ihn hierauf ein und barbierte 
ihn mit einem hölzernen Messer, es folgten dann noch gegen zehn 
solcher Manipulationen, die sämtlich mit bezüglichen, dazu gesprochenen 
stehenden Versen begleitet waren. Hatte der arme Bursche alles geduldig 
über sich ergehen lassen, so galt er als richtiger Geselle. Den Abend 
beschloß ein fröhliches Trinkgelag. 
Als die jüngste der Pfingstsitten darf man wohl das seit einigen Jahr- 
zehnten in großem Umfange üblich gewordene Reisen nennen. 
Während der zweiten Woche nach Pfingsten, der Woche nach dem 
Trinitatissonntage, wird in Annaberg ein großes Volksfest, die Kät. 
abgehalten, dessen Ursprung in dem mit der katholischen Feier des Tri- 
nitatisfestes verbunden gewesenen Jahrmarktstreiben zu suchen ist. Ob- 
wohl schon 1539, nach Georg des Bärtigen Tode, in Annaberg Luthers 
Lehre eingeführt wurde und somit die alljährlich am Trinitatistage 
stattfindenden, mit Hochamt und Ausspendung von Ablaß verbundenen 
Wallfahrten nach dem Annaberger Friedhofe, der 1519 zu einem heiligen 
Felde geweiht worden war, aufhörten, so blieb doch das Jahrmarktstreiben 
an genanntem Tage bestehen und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu 
1) Die älteste vorhandene Zunftschrift der Annaberger Posamentier-Innung 
stammt aus dem Jahre 1607. Es besteht jedoch kein Zweifel darüber, daß die 
Innung viel älter ist. 2) Alter und Deutung des Namens „Kät“ sind noch nicht 
bestimmt festgestellt. Nach der einen Meinung ist er die mundartliche Verstümmelung 
von Gaudium oder des Namens Dreifaltigkeit (Dreifaltigkät), nach anderer Auf- 
fassung aber Kät —= Katharinenfest, bez. wo jede Käth hinläuft und sich vergnügt.
	        
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