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An einem Sonntag im August hielten auch die Bäckergesellen
ihren Auszug, welcher Brauch bis 1869 bestand. Kurz nach 12 Uhr
Mittag versammelten sich die Bäckergesellen, mitunter auch einige Meister,
bei dem jüngsten Bäckermeister, der die Gesellenlade in Verwahrung
hatte. Außer den Bäckergesellen nahmen noch die Mühllnappen am
Zuge teil, den ein Musikchor eröffnete. Erstere gingen in schwarzem
Frack, ebensolchen Hosen, weißer Weste, weißen Handschuhen mit einem
Dreimaster auf dem Kopfe und einem Degen an der rechten Seite.
Letztere trugen außer dieser Kleidung noch ein Schurzfell. Nach dem
Musikchor kam die Fahne der Bäckerinnung, deren Träger zwei Mar-
schälle begleiteten. Nach der von zwei Gesellen getragenen Lade trug
einer den Willkomm, eine silberne Trinkkanne, und ein anderer folgte
mit einem mächtigen Blumenstrauße. Nach dem Zuge durch einige
Straßen, wobei vor der Wohnung des Obermeisters und des Vorsitzenden
der Innung, sowie vor den Häusern der obersten städtischen Beamten
kurz Halt gemacht wurde, zog man zuletzt in die Restauration, wo Quartal
abgehalten wurde. Hierauf folgte ein Abendessen und zuletzt Tanz.
4. Herbfstfeste und Bräuche.
Die Kirmes. (Vgl. hierzu M. Mo., 305 ff.
Den Abschluß des gesamten wirtschaftlichen Jahres bildet die
Kirmes, das Hauptfest der Bauern, deren Inhalt Essen und Trinken,
Wohlleben und gute Tage haben auch heute noch ist. Dieses Fest ist aus
den altdeutschen Winterfesten hervorgegangen, in denen wahrscheinlich
auch die Wurzel des Martinschmauses zu suchen ist. Die Volksdichtung
hat all die Kirmesfreuden und Kirmesleiden trefflich dargestellt. Die
ganze Kirchweihseligkeit schildert folgendes Lied, das vor ungefähr 50
Jahren an diesem Feste gesungen wurde.
Kirmes, Kirmes is nun da.
Kirmes tönt's von fern und nah.
Kehrt das Haus, die Stube aus;
:: Wascht die Wäsche, stärkt sie blau,
Putzt euch wie ne Kirmesfrau. ::
Wenn nun Kirmesgäst' wär'n kommen,
Hanne, dreh dich um und um.
Schlacht ein Rind, koch geschwind
:: Sauerkraut und Kalbsgekrös,
Das muß sein ein gut's „Gefreeß.“ "
Wie die Kirmesgäste kamen,
Saßen sie da Mann für Mann.
Peters Paul putzt das Maul.
½ Freßt nur! ich geb's gerne her,
Morgen is keine Kirmes mehr!