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„Ich will treiben mein Vieh aus,
Will's treiben in Gottes Garten.
Der liebe Vater, Herr Jesus Christ,
Der soll mir 's helfen warten
Vor dem Drachen und der Drachin,
Vor dem Pispoß und der Pispossin
Und vor allen bösen Würmern,
Die auf Erden sind.
Mir und meinem Vieh zum besten.
Im Namen Gottes des Vaters, d. S. u. d. h. G.1“ (W.)
Hund und Katze werden den Tieren beim Verlassen des Stalles
vorangejagt (Nd. 89“"). Man vermied, eine schwarze Kuh voranzutreiben,
denn diese bedeutete Unglück, zum mindesten aber schlechtes Wetter
(Sp. 140). Setzt sich der Hirt während des Austreibens, so werden
die Kühe lahm (Sa.). Die vom Felde heimkehrenden Leute wurden
mit Eiern gespeist, wobei namentlich der Kühjunge reichlich bedacht
wurde (A.). Erfolgt der letzte Eintrieb bei schönem Wetter und kommen
die Tiere nach diesem nicht wieder in den Regen, so bleiben sie von
Ungeziefer verschont (M.).
Pfingsten. Welcher Hirt am Pfingstmorgen zuerst mit seinem
Vieh aufs Feld kam, war der „Pfingstkönig“, der das Recht hatte,
eine Pfingststange, d. h. einen mit Kränzen verzierten langen Stab zu
setzen (Spieß 144).
Michaelis. An diesem Tage und darnach singen die Hirten,
weil sie die Weidegrenzen nicht mehr so streng innezuhalten haben:
Michsle is dol
De Hartn sei froh.
Dann Bauer ward leed
Im sei bissel Weed. (M.)
Michéle is voriewer,
Nu hitt ich iewer un iewer.
Kimmt der Bauer un sot mr woos,
Hauch'n woos iewer dr Nos'. (Gey.).
Michsle is vuriewer,
Mei Viech ka riewer un niewer,
Mei Viech ka iewer Kraut un Mähr'n,
Do ka mr Bauer n Drack verwähr'n (M. S.).
Vgl. Böhme 659c. 659fd.
Geben in diesen Reimen die Hirten ihrer Freude über erlangte
Freiheiten, mit denen der Bauer nicht immer einverstanden sein mag,
Ausdruck, so klingt aus anderen wieder und zwar ziemlich häufig
der Spott heraus, der sich gewöhnlich auf das Vieh des anderen, auf
diesen selbst und nicht selten auch auf die Vieh haltenden Bauern und
ihr Gesinde erstreckt.