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Auf größeren Gütern war die Pflege der Schafe einem Schäfer
anvertraut. Während die Hirten von Wiese zu Wiese zogen, hatten die
Schäfer, die wie die Hirten gekleidet gingen, aber breitkrempige Hüte
trugen, bestimmte Weideplätze inne. Ihr Lohn war außerordentlich
niedrig. So bekam z. B. der Hirt in Schönfeld in den 60er Jahren
wöchentlich für jedes Tier 6 Hütegeld. Mit dieser kümmerlichen
Bezahlung hing auch die soziale Stellung des Hirten zusammen: tief
verachtet von den Eingesessenen, wurde ihm gemeinhin die dürftigste
Hütte im Dorfe zugewiesen. Noch heute heißt es: „'s8 giht zu wie bei
Hirtens“ und man meint damit immer liederliche Wirtschaft. Und doch
galt einst auch das Wort:
„Kih hiten, Hihnle brieten
Is mei Lam, köst mr'sch glam“ (W.).
Die übrigen Haustiere.
Das Pferd, bei den alten Deutschen fast zur Familie gehörig
und wie eine Person behandelt, Wodans heiliges Tier und Opfertier,
ist wahrsagend und geistersehend (Seite 35, 95, 153.). Gelingt es einem
jungen Mädchen nach und nach hundert Schimmel zu zählen, so heiratet
es den ersten Mann, der auf den hundertsten Schimmel folgt (Ma.,
Gey.). Wenn Kinder einem Schimmel begegnen, so zeichnen sie mit
dem Fuße sechs sich kreuzende wagrechte und senkrechte Striche auf den
Boden und wünschen sich dabei etwas (Cr.). Das wiehernde Pferd
kündet Hochzeit (Ri.). Ein weitverbreiteter Brauch, der wohl durch alle
deutsche Lande geht, ist das Aufnageln gefundener Hufeisen auf die Tür-
schwelle, an das Scheunentor u. a. O. gegen allen bösen Zauber (Seite 27).
Hat sich das Pferd einen Nagel eingetreten, so hängt man diesen in die
Esse, damit das Tier keine Schmerzen habe (Cr.). Beim Reißen, wozu
es den Stall mit dem rechten Beine zuerst verlassen soll, darf niemand
vom Fenster aus zusehen (Cr.). Ein Pferd kauft man nur mit der
Halfter, sonst ist das Tier unglücklich (A.). Wollen neu angekaufte Pferde
nicht in den Stall, so stößt dem Besitzer ein Unglück zu (Th.).
Redensarten: „Schimmelverreck, grußer Schreckl Weiwerstärm, à
Verdärm“. Bei Meyer (212) aber: Weibersterbe isch ka Verderbel!
Aber Gäulverrecke, des isch e Schrecke! — Das Pferd hat 100 Augen
( überall schaut ein Fehler heraus. A.)
Auch dem Hunde (vgl. W. 172) eignet die Gabe der Weissagung
(Seite 27, 113.). Heulen zwei Hunde um Miitternacht, so brennt das
zwischen ihnen liegende Haus ab (H.). Der vor einem Hause mit erhobener
Schnauze heulende (Ne., A., Ri.) oder unmittelbar auf einen Hahnenschrei
bellende Hund kündet den Ausbruch eines Schadenfeuers an (Ehr.). Der
unter einem Glockenläuten heulende Hund kündet die Einkehr des Todes
in die Gemeinde an (Th.). Der in der Neujahrsnacht heulende Hund zeigt
dem Hause Unheil und Verderben an (J.). Dieser Glaube ist nur aus
den Beziehungen der Tierwelt zum Totenkult bei unseren heidnischen
Vorfahren zu erklären. Wie scharf man auch einerseits die Seele vom
Leibe trennte, so gab man ihr andrerseits doch wieder körperliche Gestalt.