Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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denn wohl in sehr vielen Gemeinden des oberen Erzgebirges ist auf 
diesem Gebiete über schwere Mißstände zu klagen — Gemeinderäte und 
Gemeindevorstände dem wackeren Beispiele des Gemeinderats und Ge- 
meindevorstands zu Steinbach nachfolgen!“ Diesem Wunsche des Ein- 
senders schließen auch wir uns an, Auswüchse müssen unterbunden 
werden. Man weiß aber auch, wie es mit der Befolgung solcher Ver- 
bote geht; die Sitte oder Unsitte ist stärker als sie. Wie hat man 
einst gegen die Spinnstuben geeifert! Und doch erhielt sich dieses 
Spinnstubenunwesen, solange als es diese überhaupt gab. Vom Stand- 
punkte des Volksforschers aus aber wäre es zu bedauern, wenn die 
Zusammenkünfte überhaupt aufhören würden; denn noch erklingen in 
mancher Rockenstube die alten und schönen Volkslieder, die sonst der 
Vergessenheit zum Opfer fallen würden. Daß daneben auch hier und 
da verflachende und verrohende Gassenhauer gesungen werden, daran 
dürfte der Zug unserer Zeit vor allem mit schuld sein. 
Wie schon erwähnt, finden die Zusammenkünfte ihren Abschluß, 
aber auch ihren Höhepunkt in der Feier der „langen Nacht“ an einem 
Sonntagabend vor Ostern. Ein Mahl, das die Mädchen gemeinsam 
bestreiten und im Mittelpunkt der Feier steht, vereinigt alle die, die sich 
an den Rockenabenden gefunden haben. Paarweise sitzen die jungen 
Leute um den Tisch, mitunter obenan die Eltern des Mädchens, bei 
dem die Rockenabende stattgefunden haben. Das Essen beginnt in der 
Regel um 9 Uhr und besteht aus grünen Klößen, Sauerkraut, Rinder- 
braten, verschiedenen Kompots, Bier und Schnaps. Nach einer Stunde 
schon ist das- Essen zu Ende, schnell waschen die Mädchen auf; denn 
nun beginnt der Tanz, der nicht selten bis zum frühen Morgen 
dauert. Dabei finden sich die jungen Burschen für das ihnen gebotene 
Mahl mit Bier und Schnaps ab, so daß die Stimmung schnell und oft 
bedenklich steigt. Vielerorten sind bei der Feier Verkleidungen üblich. 
Die Hochzeit. 
Gyal. hierzu M. 167 ff. Mo.1 276 ff. 
Die Hochzeit ist das. wichtigste Familienfest und zugleich der Höhe- 
punkt des Lebens zweier Menschen. „Obwohl in seinem Verlaufe ein 
großes, einheitliches Gemälde, festlich froh in seiner Gesamtstimmung, 
so zerfällt es doch in eine zahlreiche Reihe von losen Einzelbildern, 
die alle mehr oder weniger bedeutungsvoll und sinnreich sind.“ Bei der 
Hochzeit entfaltet der deutsche Brauch seine ganze volle Mannigfaltigkeit. 
Und Reim und Vers schlingen sich schmückend ums ganze Fest. Freilich 
sind kennzeichnende Hochzeitssitten und -gebräuche nur vereinzelt noch im 
Erzgebirge zu finden, — denn auch die ländliche Hochzeit ist immer mehr 
und mehr modernisiert worden — so daß ich im folgenden Abschnitte mehr 
von. Vergangenem als von Gegenwärtigem zu. berichten habe.) 
10) Ein Blick. in das „Hochzeitsbuch- von Reinsberg Düringsfeld (Leipz. 1871) 
lehrt, daß die Hochzeitsbräuche durch weite Strecken Deutschlands wegen ihrer Über- 
gisfinmung oft bisi in feine Ginzelheiten hinein, ein und dieselbe Quelle gemeinsam 
aben
	        
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