Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Meinung, daß je stiller eine Hochzeit gefeiert werde, desto größeres 
Glück des jungen Paares warte (R.). War die Hochzeitsgesellschaft 
zurückgekehrt, so gab es zunächst, wie auch heute noch, Kaffee und Kuchen. 
Alsdann begann der Tanz, der auf dem größten Boden im Hause, nicht 
selten auch in der Scheune oder auf dem Heuboden abgehalten wurde, 
wobei Bier und Schnaps in reichlichster Menge geboten wurden. Den 
Tanz unterbrach das Hochzeitsmahl, das mit einer Suppe aus Brot, 
Bier, Rosinen, Mandeln und verschiedenem Gewürz, der sog. „Braut- 
suppe“ begann, die zuweilen auch eine einfache Reissuppe war. Dann 
gab es gewöhnlich entweder Sauerkraut und Schweinebraten oder Reis 
mit Rosinen und Rindfleisch, verschiedene Kompots und zuletzt Butter, 
Brot und Käse. Getränke waren allgemein Bier und Schnaps, davon 
jedes von allen nur aus einem Glase getrunken wurde (allg.). Die Speisen 
wurden in vorher bestimmten Mengen vorgelegt. So bekam z. B. in 
M. jeder Gast ½ Pfund Fleisch, / Pfund Wurst, 1 „Eeßbrot“ und ½ 
Kuchen, in H. 1 Pfund Schweinefleisch, 1 „Eeßbrot“, ½ Kuchen und 
Kompot. Was einer nicht essen konnte, mußte er mit nach Hause nehmen. 
Auch der Geistliche, der Lehrer, die beide stets mit eingeladen wurden, 
sowie jeder Musiker bekamen je nach ihrem Stande größere oder kleinere 
Teile. Weil der Fleischer die für jeden Gast bestimmten Stücke Fleisch 
vor ihrer Zubereitung auszuschneiden hatte, hießen solche Hochzeiten 
„ausgeschnittene“ im Gegensatz zu den „einfachen“ bei ärmeren Leuten, 
die sich mit einer Suppe, Reis mit Rindfleisch, Butter, Käse, Brot 
und Bier begnügten (O.). Messer und Gabeln hatte jeder Gast selbst 
mitzubringen. Vor Aufhebung der Tafel füllten die Gäste die ihnen 
vorgelegten Semmeln oder „Eeßbrote“ mit Kompot, wie gebackenen 
Pflaumen, Hagebutten, Rosinen, Pflaumenmus u. ä. samt der Brühe 
und beschenkten damit ihre Kinder daheim (s. Seite 64). Fast überall 
bekamen die Nachbarn vom Hochzeitsessen einen Teil ins Haus geschickt. 
Ebenso erhielten die „Gucker“ ihren Lohn. Ihnen wurden ausgehöhlte 
„Eeßbrote“ zuteil, die man nach dem Feste mit Suppe, Fleischstücken, 
Kompot, überhaupt allem, was übrig geblieben war, füllte. Dauerte eine 
Hochzeit mehrere Tage, so gab es dieselben Speisen wieder. Nach dem 
Essen begann der Tanz von neuem und dauerte oft bis in die frühen 
Morgenstunden. Um Mitternacht wurden gewöhnlich mit Fett bestrichene 
Brotschnitte gereicht, die nicht selten in einem Tragkorb in den Tanzraum 
gebracht wurden, oder die Gäste langten sich „Eeßbrote“ zu, die aufge- 
schichtet auf einer langen Tafel lagen. Der Tanz war zu Ende, wenn die 
Musiker „Ihr Mad, giht ehamm!“ spielten (Gru.). Kam der Nachtwächter 
um Mitternacht, so wurde er, nachdem er ein Lied gesungen hatte, herein- 
geholt und bewirtet (Gro.). In O. und den umliegenden Ortschaften wurden 
am zweiten Festtage die Gäste sämtlich ohne Widerrede in dem Anzuge, 
den sie gerade anhatten, mit der Radewelle oder dem Schubkarren einzeln 
unter en Gelächter der Dorfjugend ins Hochzeitshaus gebracht. (Vgl. 
168. 
Das Mahl begann und endigte stets mit Gebet, das der Hochzeits- 
vater oft sebst verfaßt hatte. Nicht selten wurde zu Anfang desselben
	        
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