2 J. Geschichtliche Einleitung.
Pfarrer des Orts oder sonst Jemand geneigt war, die Kinder während
der Wintermonate im Lesen, vielleicht auch Schreiben zu unterrichten
und ihnen den Katechismus memoriell einzuüben. Die beiden wesent—
lichsten Bestimmungen eines geordneten Schulwesens, nämlich das Vorhanden—
sein von Anstalten zur Vorbereitung lehrfähiger Schulmeister und eine gesetz—
lich ausgesprochene und mit Strenge aufrecht erhaltene Schulpflichtigkeit der
Kinder fehlten.“)
Erst im Laufe der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts sind in
fast allen deutschen Ländern und Städten, von weltlichen und geistlichen
Regierungen, teils eigene Schulordnungen erlassen, teils einzelne auf Ver-
besserung des Volksschulwesens abzielende Maßregeln verfügt worden. Der
wirklichen Durchführung dieser Gesetze und Verordnungen trat aber vielfach
Unverstand und Vorurteil in der Bevölkerung,)) böser Wille bei einzelnen
Ständen, welche ihre Sonderinteressen durch Hebung der Volksbildung ge-
fährdet glaubten, hindernd in den Weg, und ein Haupthindernis der gedeih-
lichen Entwicklung des Volksschulwesens blieb fast allenthalben die Kargheit
der Mittel, welche man für die Belohnung der Lehrer, die Beschaffung ge-
eigneter Schullokale und der sonstigen Schulbedürfnisse aufwenden konnte
und wollte. Und auch abgesehen von dem mangelhaften Vollzuge der staat-
lichen Anordnungen kann die Thatsache, daß noch am Ende des achtzehnten
Jahrhunderts der Zustand des Volksschulwesens in Deutschland im allge-
meinen wenig befriedigend war,?) nicht auffallen, wenn in Betracht gezogen
wird, daß bei dem Zustande der Volksbildung, welchen die Gesetzgeber der
zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts vorfanden, nicht sofort ein zur
Verwirklichung ihrer Absichten befähigtes Lehrer= und Schulausfsichtspersonal
zur Verfügung stand. Immerhin aber haben die Schulordnungen aus dieser
Periode den Boden vorbereitet, auf welchem später eine vollkommenere und
kräftiger durchgeführte Gesetzgebung, ein besser vorbereitetes Lehrerpersonal
und eine weiter entwickelte Bildungs= und Erziehungskunde bessere Ergeb-
nisse zu erzielen vermochten, sondern sie sind auch jetzt noch in manchen ihrer
Bestimmungen von unmittelbar praktischer Bedentung.
In Baden hat bis zum Jahre 1834 die Thätigkeit der Staatsregierung
im elementaren Unterrichtswesen in der Hauptsache darauf sich beschränkt, die
im achtzehnten Jahrhundert in den beiden Markgrafschaften Baden--Baden
und Baden- Durlach geschaffenen Einrichtungen auf das ganze Gebiet des
93 Dr. r. v. Heppe. Geschichte des deutschen Volksschulwesens. Gotha 1858. Band I.
§ 2 S. 30 ff.
*!) Es kam z. B. in vielen Gemeinden zum Aufrubr, als die Töchter der Bauern
nicht nur den Katechismus, sondern auch das Schreiben lernen sollten. Heppe Band I.
S. 249.
!.) Dr. Heppe, Band I. 8§ 27 S. 247 ff.